Siechfred Noetigenfalls: Oranienburger Versuchsbahn

Oranienburger Versuchsbahn


Oranienburger Versuchsbahn
(1906 - 1913)




Der ehemalige Standort

Unten links im Bild befindet sich ein kleines rotes Dreieck. Bei gedrückter Maustaste das Dreieck hin- und herschieben.

Standort auf Google Maps.




Der Lageplan, den ich aus technischen Gründen nicht größer einstellen kann, divergiert bezüglich Anschlußgleis mit dem Lageplan oben.



Eine weitere Variante der Versuchsbahn. Es ist davon auszugehen, dass der Bau erfolgte wie ganz oben im amtlichen Meßblatt zu ersehen.



Angaben zu den verwendeten Oberbaumaterialien.
Es gibt noch einen Plan der wesentlich ausführlicher ist. Der ist aber so groß wie die Mondoberfläche und kann hier nicht einmal ansatzweise wiedergegeben werden.



Die Stromversorgung der Versuchsbahn. Nähere Angaben zur Stromversorgung sind in Zeitungstexten zu erfahren.




Es gibt tonnenweise Schriftstücke über den Bau, Kosten, Ergebnisse der Versuchsfahrten usw.
Stellvertretend hier einige Auszüge.






Am Rand der Versuchsanlage stand das Schalthaus und das Büro/Magazin.







Wo wird die Versuchsbahn erwähnt?
Habe diverse Archive geflöht.
Abbildungen können mehrfach vorkommen. Sie haben einen Bezug zu den jeweiligen Texten.
Bei einigen Artikeln versagte die OCR-/Texterkennungssoftware 😐. Deshalb werden die Texte als Faksimile gezeigt.

Briesetal Bote vom 26.08.1905

Elektrische Bahnen und Betriebe 1906

Studien über die Verwaltung des Eisenbahnwesens mitteleuropäischer Staaten 1906
von Wilhelm Franz Exner
Die kgl. Eisenbahndirektion in Berlin ist dazu ausersehen, dem Versuchswesen behufs wissenschaftlicher Vertiefung des Eisenbahnbetriebes größte Aufmerksamkeit zuzuwenden. Sie handelt im Sinne der Ausführungen des Geheimen Baurates Zimmermann. der vor kurzem in seiner Antrittsrede als neu berufenes Mitglied der Akademie der Wissenschaften das Versuchswesen als Thema gewählt hatte. Dabei hat er auch speziell das Versuchswesen in seinem Zusammenhange mit den Eisenbahnen erörtert und darauf hingewiesen, dass eine Versuchsbahn, auf der die Züge Tag und Nacht dauernd fahren, zur Erprobung der Oberbaukonstruktion und der Fahrbetriebsmittel dringend zu wünschen wäre. Nun soll wirklich eine solche Versuchsbahn errichtet werden, und zwar unweit Oranienburg.
Schweizerische Bauzeitung 1907
Versuchsgeleise der preussischen Staatsbahn.

Zur Durchführung von eingehenden Dauerversuchen mit verschiedenen Oberbaumaterialien hat die Verwaltung der preussischen Staatsbahn in der Nähe von Oranienburg ein Versuchsgeleise erstellt. Die geschlossene Bahn von 1756 m Länge wird gebildet aus zwei Halbkreisen von 200 m Radius, die durch zwei Ver¬ bindungsstücke von je 250 m Länge miteinander verbunden sind.

Die Ueberhöhung der äussern Schiene in den Kurven beträgt 125 mm, die Spurerweiterung 24 mm; die Uebergangskurven schliessen unmittelbar aneinander mit Uebergangssteigungen von 3, 2, 1 und 0,75°/00. Der Oberbau besteht zur Zeit auf vier gleichlangen Strecken aus Schienen von vier verschiedenen Profilen, die in verschiedener Weise an den Stössen verbunden sind und abwechselnd auf hölzernen und eisernen Schwellen ruhen, die ihrerseits wieder in Kies oder Steinschlag gebettet sind. Auf diesem Geleise fährt ein aus zwei elektrisch angetriebenen Motorwagen und einigen Güterwagen gebildeter führerloser Zug von 170 t Gewicht mit etwa 5° ^m Geschwindigkeit mit Ausnahme der Feiertage täglich während 20 Stunden im Kreise hemm. Anlasser und sonstige Apparate sind in einem besondern Schalthäuschen untergebracht. Es werden nicht nur die Lageveränderungen der Geleise und die Abnützungen des Oberbaues sorgfältig geprüft und gemessen, sondern auch die Unterhaltungskosten für die verschiedenen Strecken besonders gebucht. Nach der Z. d. V. D. E., der wir diese Angaben entnehmen, ist die Beanspruchung dieser Versuchsbahn ungefähr 2O% grösser als auf der Berliner Stadtbahn, auf der die jährlich über das Geleise bewegte Last im Jahre 1904 rund 24,3 Millionen Tonnen betragen hat.
Railroad Gazette 1907

Schweizerische Bauzeitung 1908
EinphasenWechselstrom-Lokomotive der Preussischen Staatsbahn. Die erste derartige Lokomotive in Preussen, die gegenwärtig auf der Oranienburger Versuchsbahn) ihre Probefahrten macht und in E. T. Z vom 23. April eingehend beschrieben ist, stammt aus den Werkstätten der A. E. G. in Berlin in Verbindung mit der Maschiuenbau-A.-G. Vulkan in Stettin. Die 14,140 m lange Maschine besteht aus zwei zweiachsigen kurzgekuppelten Einheiten, deren vordere durch zwei Bügelstromabnehmer dem Fahrdraht den Strom von 6000 Volt und 25 Perioden entnimmt, um ihn dem Haupttransformator mit dem Uebersetzungsverhältnis von 6000/1000 Volt zuzuführen.

Die Regulierschützen, sowie Fahrtwender, Trennschalter usf. sind alle in diesem vordem Lokomotivtei vereinigt. Die hintere Hälfte enthält einen Siroccoventilator für die Luftkühlung des Transformators und der Motoren, den Kompressor für die Druckluft zur Betätigung der Bremsen, Stromabnehmer, Sandstreuer usf. Von den vier Achsen sind drei mit Winter-Eichberg-Motoren von je 250 PS bei 450 Uml.-Min. Dauerleistung und 350 PS bei 450 Uml.-Min. Stundenleistung angetrieben; die vierte Achse kann nötigenfalls auch mit einem solchen Motor ausgerüstet werden.
Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure 1908
Bei diesem Artikel versagte die Texterkennungssoftware :-). Deshalb wird der Text als Faksimile gezeigt.


Deutsche Straßen- und Kleinbahn-Zeitung 1909
Die Königlich Preußische Versuchsbahn.
Die Preußische Staatseisenbahn-Verwaltung besitzt im Walde bei Oranienburg eine Versuchsbahn, die zu Dauerversuchen mit den verschiedensten Eisenbahnoberbau-Konstruktionen, sowie ihrer elektrischen Ausrüstung bestimmt ist. Sie ist eine Rundbahn von insgesamt 1,75 km Länge, die sich aus zwei Halbkreisen von je 200 m Halbmesser und zwei geraden Verbindungsstücken von je 250 m Länge zusammensetzt. Ebenso wie beim Oberbau sind auch bei der elektrischen Oberleitung verschiedene Konstruktionen verwendet, um ein Urteil über ihre Bewährung im Dauerbetriebe zu erhalten.
Zum Betriebe dient eine mit drei Motoren von je 350 PS ausgerüstete Lokomotive, deren Leistung erforderlichen Falles durch Einbau eines vierten Motors auf 1400 PS erhöht werden kann. Die elektrische Energie wird der Lokomotive als Einphasenwechselstrom von 25 Perioden mit 6000 Volt Spannung zugeführt. Diese Lokomotive schleppt täglich 20 Stunden lang einen Güterzug im Gesamtgewicht von 375 Tonnen mit einer Geschwindigkeit von 45 bis 50 km im Kreise herum. Dies ergibt 550 Runden am Tage oder für jede Stelle des Gleises eine Zugfolgezeit von etwas über 2 Minuten. Während der 20 Stunden findet nur eine kurze Betriebsunterbrechung statt, um den ordnungsmäßigen Zustand der Lokomotive flüchtig nachzuprüfen; dies ist erforderlich, da die Lokomotive vollständig ohne Bemannung fährt. Eine eingehende Untersuchung und die Auswechslung etwa schadhafter Teile wird in der vierstündigen Betriebspause vorgenommen.
Electric Railway Journal 1909

Verkehrstechnische Woche und Eisenbahntechnische Zeitschrift 1910/1911
(hier nur die Auszüge aus dem umfangreichen Artikel, welche Bezug zur Versuchsbahn Oranienburg haben)

Königlich Preussische Staatseisenbahn Oranienburg

Für die Oranienburger Versuchsstrecke der Königlich Preußischen Staatseisenbahn, die bereits erwähnt wurde, ist von der A. E. G. in Gemeinschaft mit der Maschinenbau- Aktien -Gesellschaft Vulkan eine Wechselstrom -Güterzug- Lokomotive mit drei 350 PS-Motoren geliefert worden.
Diese Lokomotive (Abb. 37 — 41) besteht aus zwei zweiachsigen durch eine Kurzkupplung verbundenen Hälften, zwischen denen ein Übergang angeordnet ist.
Den beiden auf einer Lokomotiv- Hälfte sitzenden Scheren -Stromabnehmern (Abb. 42) wird von der Oberleitung einphasiger Wechselstrom von 6000 Volt Spannung und 25 Perioden zugeführt.
Das Heben und Senken der Scherengestelle der Stromabnehmer kann durch Druckluft oder von Hand geschehen. Ein Aufrichten der Stromabnehmer kann nur dann erfolgen, wenn der besondere Raum,in dem die Hochspannung führenden Teile untergebracht sind, verschlossen ist. Umgekehrt kann auch die Hochspannungs-Kammer nur dann geöffnet werden, wenn die beiden Stromabnehmer niedergelegt sind; beim Öffnen der Tür wird ausserdem ein besonderer Erdungsschalter eingelegt, der die sämtlichen bei aufgerichtetem Stromabnehmer unter Hochspannung stehenden Apparate mit Sicherheit erdet.
In der Hochspannungs - Kammer sind eine Blitz - Schutzeinrichtung, ein Höchststromausschalter und ein Stromwandler für die Messinstrumente untergebracht. Unmittelbar neben der Hochspannungs-Kammer steht der Haupt-Transformator, dessen beide Niederspannungs - Wicklungen je sieben Anzapfungen besitzen; von diesen Anzapfungen aus wird den Motoren die wechselnde Arbeitsspannung durch elektromagnetisch betätigte Schütze zugeführt.
Der Erreger-Stromkreis wird ebenfalls durch Schütze gesteuert. Die Erreger-Transformatoren, Fahrwender, Trennschalter und Niederspannungs - Sicherungen sowie die sämtlichen Steuerschützen sind in Winkeleisen-Gestellen in derselben Lokomotiv-Hälfte wie der Haupt -Transformator bequem zugänglich aufgebaut.
In dem Gehäuse der anderen Fahrzeughälfte ist ein Sirokko-Gebläse aufgestellt, das zur Erzeugung der Kühlluft für die Motoren und für den Haupt-Transformator dient. Der Antrieb des Ventilators erfolgt durch einen Motor von rd. 30 PS.
In dem gleichen Raume steht noch ein Motor-Kompressor, der die für die Luftdruckbremse, für die Stromabnehmer -Betätigung, die Sandstreuer und für die Signalpfeifen erforderliche Pressluft liefert.
Die Lokomotive trägt an jedem Ende ein Führerabteil, mit einem Hauptführerstand auf der einen und einem Hilfsführerstand für Verschiebezwecke Die Höchstgeschwindigkeit der Lokomotive beträgt 60 km Std.
Die Lokomotive besitzt bei drei eingebauten Motoren eine Gesamtleistung von 1050 PS. Sie vermag eine normale Zugkraft von 9000 kg und eine grösste Zugkraft von 13 000 kg auszuüben : sie ist daher sehr geeignet zur Beförderung schwerer Güterzüge.
Das Gewicht der betriebsfertigen Lokomotive beläuft sich auf etwa 59 t, wovon etwa 27 t auf die elektrische Ausrüstung entfallen.
Die Lokomotive ist seit Anfang des Jahres 1908 auf der Versuchsbahn der Königlich Preußischen Staatseisenbahn bei Oranienburg in Betrieb. Diese Bahn dient zur Erprobung von Oberbau-Materialien und ist eine in sich geschlossene Rundbahn von 1, 3/4 km Gleislänge.
Die Lokomotive fährt für gewohnlich mit einem über 300 t schweren Güterzuge täglich 2 mal 10 Stunden hintereinander ununterbrochen auf dieser Bahn herum und leistet dabei etwa 950 Zugkilometer und über 300000 tkm am Tage.
Sie hat Monatsleistungen von fast 20 000 Zugkilometer und von fast 50000 km aufzuweisen. Sie bietet da durch einen deutlichen Beweis für die grosse Leistungs-Fähigkeit des elektrischen Betriebes und die weitgehende Ausnutzungs-Möglichkeit elektrischer Fahrzeuge.



Bern — Lötschberg — Simplon-Bahn

(Die Versuchsbahn Oranienburg wird in diesem Artikel nicht erwähnt, die Lokomotive wurde aber auf der Versuchsbahn getestet)

Die Berner Alpenbahn-Gesellschaft gab im Jahre 1908 zwei grosse Wechselstrom-Lokomotiven, Type 1 — B -p- B — 1> für Beförderung von Personen- und Güterzügen in Auftrag. Die Lokomotiven sind zunächst für den Probebetrieb auf der Strecke Spiez — Frutigen bestimmt, der im Sommer 1910 eröffnet ist und den Vorläufer für den späteren Durchgangs- verkehr Bern — Lötschberg— Simplon darstellt. Der Allgemeinen Elektrizitäts - Gesell- schaft wurde die Lieferung einer dieser beiden Lokomotiven übertragen. Die Gesellschaft führte Entwurf und Bau des Fahrzeuges zusammen mit der Lokomotivfabrik von Krauss & Co., München, in den Jahren 1909/10 aus. Die Lokomotiven (Abb. 43 — 451 müssen nach den Vorschriften der Berner Alpenbahn folgenden Bedingungen genügen:
Spurweite: 1435 mm
Fahrdrahtspannung: 15000 Volt
Periodenzahl: 15
Höchste Fahrgeschwindigkeit: 75 km/Std
Kleinster Krümmungsradius auf freier Strecke: 250 m
Kleinster Krümmungsradius in Bahnhöfen: 180 m
Grösste Anfahrzugkraft am Triebradumfang: 13500 kg
Zugkraft am Haken während einer Stunde bei rd. 40 km/Std: 8000 kg

Auf einer Steigung von 27 "/„ soll ein Zug von 250 t Wagengewicht mit 40 km/Std, auf einer Stei- gung von 15,5 % ein Zug von 400 t Wagengewicht mit gleicher Geschwindigkeit eine Stunde lang be- fördert werden können. Bei diesen Belastungen muss eine Anfahrbeschleunigung von mindestens 0,05 m/Sek 2 erreicht werden können.
Die Allgemeine Elektrizitäts-Gesellschaft ging daher bei dem Entwurf ihrer Lokomotive von dem Grundsatze aus, ein Fahrzeug zu schaffen, das sich für die Beförderung von Personen- und Güterzügen gleich gut eignet. Da sich bei 17 t zulässigem Achsdruck die verlangte grösste Anfahrzugkraft mit vier Triebachsen erreichen lässt. wurde im Interesse einer guten Lauffähigkeit und Kurvenbeweglichkeit des Fahrzeuges die Verwendung von führenden Lauf- achsen beschlossen und eine aus zwei kurzgekuppelten Hälften bestehende Doppellokomotive der Anordnung 1 B -)- B 1 gebaut.
Wenn auch die bei Verwendung von Zahnrad- vorgelegen für die Motoren zu erzielende Gewichts- ersparnis sehr verlockend erschien, so entschloss sich die Allgemeine Elektrizitäts-Gesellschaft doch, bei den grossen in Betracht kommenden Motor- leistungen (mindestens 2 X 8°° PS) und den bereits ziemlich hohen Fahrgeschwindigkeiten die Zahn- räder aus den vorher erwähnten Gründen ganz zu vermeiden. Die Lokomotive ist daher für den Antrieb durch reines Parallelkurbelgetriebe gebaut. Jeder der beiden hoch und fest im Fahrzeugrahmen gelagerten Motoren überträgt seine Arbeit mit Trieb- und Kuppelstangen durch Vermittlung einer Blind- welle auf die zugehörigen zwei Triebachsen. Die beiden Lokomotivhälften, die sich fast völlig gleichen, sind durch eine Lokomotivtender- kupplung derart miteinander verbunden, dass jedes Fahrzeug in gewissen Grenzen für sich allein in senkrechtem und wagerechtem Sinne beweglich ist. Die Kurzkupplung besteht aus einem starren Zug- eisen und aus zwei Notschleifen, sowie aus zwei Puffern mit keilförmigen flachen Köpfen, die durch eine nachspannbare Blattfeder auf die zugehörigen Druckflächen gepresst werden. In Ergänzung des Betriebsprogrammes werden im folgenden die H a u pt ab m essu n ge n . Ge- wichte und sonstigen Angaben der ausgeführten Lokomotive zusammengestellt:
Triebraddurchmesser: 1 270 mm
Laufraddurchmesser: 850 mm
Kurbelkreisdurchmesser: 540 mm
Länge über Puffer: 15 750 mm
Gesamter Achsstand der Doppellokomotive: 12 450 mm
Achsstand einer Lokomotivhälfte: 5 300 mm
Geführte Länge einer Lokomotivhälfte: 4 250
Treibachsdruck: 17t
Laufachsdruck: 12,5t
Gewicht des Wagenteiles: 44t
Gewicht der elektrischen Ausrüstung: 49t
Gesamtes Dienstgewicht: 93t
Reibungsgewicht: 68t
Motorstundenleistung: 2x800 PS.
Wagenteil der Lokomotive. Achsen- anordnung. Jede Fahrzeughälfte ist in der Achsen- anordnung 1B 0 gebaut. Die Unterbringung der elektrischen Ausrüstung erforderte, wenn ein grosser Oberhang vermieden werden sollte, ein Fahrzeug von über 5 m Achsstand. Mit Rücksicht auf die vorgeschriebene kleinste Krümmung von 180 m Halbmesser musste von der Verwendung durchweg fester Achsen von vornherein abgesehen werden. Bei eingehender Untersuchung, in welcher Weise die Laufachse zweckmässig auszuführen war, erwies sich die an und für sich naheliegende Anordnung einer radial einstellbaren Achse nach Adams oder Bissel aus folgenden Gründen nicht als vorteilhaft: Die Höchstgeschwindigkeit ist bereits ziemlich gross, die Laufachse ist mit fast 13 t belastet, und vor allem nötigt der verhältnismässig grosse Überhang (in wagerechtem Sinne) dazu, die Laufachse zur Führung des Fahrzeuges heranzuziehen. Da eine Lenkachse als führende Vorderachse bekannter- massen starke Neigung zum Schlingern hat. führte diese Überlegung zur Verwendung eines Drehgestelles: die Laufachse ist mit der ihr benachbarten Kuppel- achse zu einem Krauss-Helmholtz- Drehgestell vereinigt. Das Krauss-Drehgestell hat in seiner ursprüng- lichen Bauform vom Jahre 1888 in Deutschland, ins- besondere auf den preussischen Staatsbahnen, weite Verbreitung gefunden: ebenso in grundsätzlich gleicher, wenn auch konstruktiv veränderter Form unter dem Namen ..Zara -- oder ..carello italiano" in Italien. Auch die schweizerischen Bundesbahnen haben es bei der 3 /, gekuppelten Heissdampf- Lokomotive zur Anwendung gebracht. Die neuere Bauform, die sich bereits seit 1 '/s Jahren bei der bayerischen Staatsbahn (linksrheinisches Netz) gut bewährt hat, unterscheidet sich von der älteren durch eine Einrichtung, die eine gleichmässige Ab- nutzung der beiden Spurkränze des Laufrades ge- währleistet. Die Laufachse ist nämlich in der Ge- raden in engen Grenzen für sich allein verdreh- bar; sie kann in wagerechtem Sinne etwas um einen über ihrem Achsmittel angebrachten senk- rechten Zapfen schwingen. Um bei der Fahrt in der Geraden die Laufachse rechtwinklig zur Fahrzeug-Längs- achse zu halten, wird die Drehgestell-Deichsel samt der Laufachse mittels der Anpressfeder, die gleichzeitig als Rückstellfeder dient, gegen zwei am Hauptrahmen vor dem Lagergehäuse der Laufachse angebrachte Widerlager an- gedrückt. In Krümmungen verhält sich die neue Bauart grundsätzlich wie die bekannte ältere vom Jahre 1888. Die im Hauptrahmen gelagerte Kuppelachse des Drehgestelles hat eine seitliche Verschiebbarkeit von 2x20 mm. Um den Seitenstoss beim Einfahren in eine Krümmung zu mildern, ist der Drehzapfen unter der elastischen Gegenwirkung der genannten Feder im Drehgestellrahmen um jederseits 15 mm verschiebbar gelagert. Die Endkuppelachse ist im Hauptrahmen unverschieblich angeordnet. Die geführte Länge des Fahrzeuges erstreckt sich somit vom Dreh- gestellzapfen bis zur hinteren Kuppelachse; sie misst 4250 mm. Das Verhältnis „Geführte Länge zu Gesamtachsstand" beträgt 4250 : 5300 = 0,80, ein recht befriedigender Wert. Sämtliche Spurkränze sind normal. Diese Achsenanordnung gibt die Ge- währ, dass die Spurkranz- Abnutzung auch auf kurvenreicher Bahn in engen Grenzen bleibt. Rahmen. Der Rahmen besteht aus Blechtrag- wänden, die bei den gekuppelten Achsen in 1240 mm lichtem Abstände angeordnet sind. Dieses Mass genügt sowohl der seitlichen Verschiebbarkeit der Kuppelachse des Drehgestelles als den Raum- ansprüchen des Motors in der Breite. Am vorderen Eahrzeugende war dagegen eine Verminderung des Abstandes zwischen den Längsträgern erforderlich, um den für die Seitenbewegungen der Laufachse nötigen Raum zu schaffen. Das Rahmenblech ist deshalb in Höhe des Drehgestellzapfens überlappt zusammengesetzt und weiter vorne durch eine in warmem Zustande hergestellte Kröpfung eingezogen. Die Verbindung der Bleche erfolgt durch eine grosse Anzahl von kalt eingetriebenen Nieten. Die Rahmentragwände sind quer und diagonal ausreichend versteift. Ausser den beiden Stirnwänden sind symmetrisch zur Motormitte zwei Querbleche angeordnet, die das Motor- gehäuse tragen. Federung. Sämtliche Federn sind Blatt- federn von 100/13 mm Federstahl. Die Unter- stützung jeder Lokomotivhälfte erfolgt in sechs seitlichen Punkten. Von dem bei der führenden Achse vielfach üblichen Ouerausgleich wurde abgesehen, um das Fahrzeugvorderteil, das durch den schweren Transformator ausreichend belastet ist, standfester gegen „Wanken" zu machen. Die Federn der gekuppelten Achsen hängen an den Achslagerkästen, sind also sehr gut zugänglich und lassen sich ohne Fort- nahme anderer Teile ausbauen. Triebwerk. Das Drehmoment des Motors wird in der aus den Abbildungen ersichtlichen Weise durch geneigte Trieb- und wagenrechte Kuppelstangen unter Vermittlung einer zwei- fach gelagerten Blind welle auf die beiden Kuppelachsen übertragen. Das Triebwerk der einen Seite ist gegen das der anderen um 90" versetzt. Alle umlaufenden Massen sind vollständig ausgeglichen. Die Motorwelle ist zur Vermeidung von Riefenbildungen auf dem Kollektor um 2X2 1 /, mm frei seitlich verschiebbar. Die Triebstangen arbeiten trotzdem auf zylindrischen Zapfen, da das Seitenspiel der Welle im Verhältnis zur Stangenlänge verschwindend gering ist. Um die Blindvvelle teilweise von dem Drehmoment zu entlasten, das in ihr während einer Umdrehung viermal hin und her pulsiert, ist der Kuppelzapfen des wagerechten Gestänges gegenüber dem des geneigten Antriebes etwas versetzt; hier- durch wird bei der Mittellage des geneigten Antriebes der wirksame Hebelarm des wagerechten Gestänges um mehr als ein Drittel vergrössert. Die seitliche Verschiebbarkeit der Kuppelachse des Drehgestelles bedingt die Anordnung eines senk- rechten Drehzapfens in der Kuppelstange und eines Kugelzapfens an der Kuppelachse. Aus Gründen der Einheitlichkeit ist auch der Kuppelzapfen der fest gelagerten Achse als Kugelzapfen ausgebildet, so dass alle Treibsätze miteinander vertauscht werden können. Dem Federspiel der Kuppelachsen gegen- über der im Rahmen fest gelagerten Blindwelle ist in ähnlicher Weise Rechnung getragen, wie es bei Dampflokomotiven mit mehr als zwei gekuppelten ! Achsen geschieht; die nach der Fahrzeugmitte zu liegenden Kuppelstangen tragen ein Gelenk mit wagerechtem Zapfen. Die theoretischen Stangen- verlängerungen halten sich hierbei in den als zulässig erprobten Grenzen, d. h. sie werden mit Sicherheit von den Lagerspielräumen auf- genommen. Die Lager der Blindwelle sind sowohl in senk- rechter wie in wagerechter Richtung nachstellbar. Alle Köpfe der Trieb- und Kuppelstangen sind in der Stangenrichtung nachstellbar. Innenraum der Lokomotive. Maschinen- raum und Führerraum sind getrennt angeordnet. Der Maschinenraum ist durchweg als ßlechkon- struktion ausgebildet. Er ist nach oben durch ein Blechdach abgeschlossen, das den Stromabnehmer trägt und zusammen mit diesem nach Lösen einiger Keile und weniger Schraubenverbindungen leicht abnehmbar ist, um den bequemen Ausbau der Ma- schinen zu ermöglichen. Im Maschinenraum be- findet sich ausser dem Motor auf jeder Maschinen- hälfte eine Motorluftpumpe. Auf einer Maschinen- hälfte ist ausserdem ein Wechselstrom-Gleichstrom- umformer mit zugehöriger Akkumulatorenbatterie untergebracht. Die Luft zur Kühlung des Motors tritt durch die teilweise aus durchlochtem Blech ge- bildeten Seitenwände des Maschinenraumes ein und wird durch grosse, auf dem Dach befindliche Sauger abgeführt. Der Führerraum ist vollständig mit Holz aus- gekleidet und reichlich mit teilweise herablassbaren, teilweise festen Fenstern ausgestattet. Eine Über- gangsbrücke zwischen den beiden kurzgekuppelten Lokomotivhälften ermöglicht den Verkehr von einer zur anderen. Die mittleren Stirnwände sind zu diesem Zweck durch einen Faltenbalg verbunden. Der Führerraum hat an jeder Seite eine Tür mit Fallfenster und ausserdem an der abgeschrägten Stirnwandecke noch eine dritte Tür, die auf die Plattform hinausführt und den Übergang vom und zum Zuge ermöglicht. Der Übergang ist durch ein Geländer geschützt. Der Schützenraum ist an die Rückwand des Führerraumes angebaut und feuersicher und schall- dämpfend ausgekleidet. Die in ihm untergebrachten Steuerschütze sind durch drei Drehtüren von vorne und von hinten bequem zugänglich. Der Transformatorensatz mit Zubehör ist in einem besonderen Cehäuse vor dem Führerraum über der Laufachse untergebracht und wird durch kräftige, aus Winkeleisen gebildete Streben in der Längs- und Ouerrichtung abgesteift. Bremse. Die gekuppelten Achsen werden beider- seits durch 2X8=16 Klötze, die mit Lappen über die Spurkränze greifen, gebremst. Die Summe der Bremsklotzdrücke beträgt bei einem wirksamen Luft- druck von 3,5 kg/qcm in den Bremszylindern un- gefähr 65 % des Reibungsgewichtes. Die Brems- klotzdrücke sind durch schwingende Hebel aus- geglichen. Der seitlichen Verschiebbarkeit der einen Kuppelachse ist durch freie Beweglichkeit des Brems-klotzes quer zur Gleisachse Rechnung getragen. Die Bremsklötze werden dabei durch ihre Lappen von den Spurkränzen mitgenommen. Als Druckluftbremseinrichtung ist die vereinigte selbsttätige und nichtselbsttätige Westinghouse- Bremse („Doppelbremse - ') vorgesehen. In jedem Führerraum ist auf der rechten und linken Seite je ein Bremsventil für die selbsttätige und rechts noch ein Regulierventil für die nichtselbsttätige Bremse angebracht. Jedes Fahrzeug kann ausserdem für sich durch ein Handrad gebremst werden. Sonstige Ausrüstung. Die Lokomotive ist mit zwei Geschwindigkeitsmessern, Bauart Hasler- Bern, mit Pressluftsandstreuer, Bauart Knorr. sechs elektrischen, zwei Petroleumsignallaternen, zwei Nebelhörnern, sowie den üblichen Werkzeugen und sonstigen Signalmitteln ausgestattet. ElektrischeAusrüstung. Stromzuführung. Der Hochspannungsstrom von 15 000 Volt Spannung wird auf jeder Fahrzeughälfte durch einen Strom- abnehmer abgenommen. Er geht über eine Drossel- spule, die atmosphärische Entladungen von dem Stromkreis des Fahrzeuges fernhalten soll, zum Hoch- spannungs-Ölschalter und von dort über einen Strom- wandler, der zur Speisung der Höchststromsperrung in den Fahrschaltern und der Höchststromauslösung im Hochspannungsschalter dient, zur Hochspannungs- wicklung des Haupttransformators. Die Strom- abnehmer der beiden Hälften sind durch eine nach- giebige und leicht lösbare Kupplung elektrisch mit- einander verbunden. Der Transformator hat niederspannungsseitig eine Hauptwicklung, die den Arbeitsstrom des Motors führt, und eine Hilfswicklung für die Steuer- ströme, sowie für Beleuchtung und Heizung der Lokomotive. Schaltung der Lokomotive. Die grund- sätzliche Schaltung des Motors ist folgende: Der Arbeitsstrom geht von den verschiedenen Ab- zweigungen der Niederspannungswicklung des Haupttransformators über die Steuerschütze durch die Ständerwicklung des Motors und durch den Erregertransformator.Der Erregerstrom wird in der aus dem Schaltplan ersichtlichen Weise dem Er- regertransformator ent- nommen, formator spuliger Dieser Trans- ist ein ein- Reihentrans- formatormit regelbarem Übersetzungsverhältnis die Regelung erfolgt ebenfalls durch Schütze. Alle Schütze werden elektromagnetisch be- tätigt: bei jeder Fahr- stellung liegen vier Paar Schütze (in sich durch zwei Stromteiler parallel geschaltet) hintereinan- der. Das erstmalige Ein- schalten sowie das Aus- schalten des Motors er- folgt daher gleichzeitig durch acht Schütze, also unter möglichst geringer Beanspruchung des einzelnen Schützes. (Abb. 46.) Beim Übergang von einer Fahrstufe zur anderen wird die den Motoren zugeführte elektrische Leistung nicht unterbrochen, weil stets mindestens die Hälfte der acht Schütze beim Weiterschalten eingeschaltet bleibt. Die Schütze sind durch Hilfskontakte so In elektrische Abhängigkeit voneinander gebracht, dass keine Kurzschlüsse eintreten können, wenn einmal ein Schütz hängen bleiben sollte. Die Umkehrung des Drehsinnes der Motore er- folgt durch einen elektromagnetisch gesteuerten Fahr- wender, der die Verbindungsleitungen zwischen Erregertransformator und Erregerbürsten um- schaltet. Die Umschaltung geschieht spannungs- und stromlos. Dies wird durch Hilfskontakte er- reicht, die ein Anspringen der Feuerschütze erst dann gestatten, wenn der zugehörige Fahrwender in seiner richtigen Endstellung steht. Die Steuer- und Lichtleitungen gehen in zu- sammen drei Kupplungskabeln von einer Loko- motivhälfte zur anderen. Die Schaltung und Anordnung der Luftleitungen ist folgende. Die Leitungen für die Doppelbremse sind durchgehend angeordnet und für doppelte Kupp- lung an den Stirnenden der Lokomotive eingerichtet. Ausserdem sind die beiden Lokomotivhälften noch durch eine dritte Luftleitung, die Bügelluftleitung, miteinander verbunden. Diese Leitung dient dazu, die Stromabnehmer von jedem Führerstande aus betätigen zu können. Sie erfüllt nebenbei den Zweck einer Ausgleichleitung, indem sie ein Parallel- arbeiten der beiden auf der Lokomotive vorhandenen Motorluftpumpen ermöglicht. Durch einen Druckregler stellt sich jede Pumpe selbsttätig an, wenn der Druck im Hauptluftbehälter 6 Atm unterschreitet, und ebenso selbsttätig ab, wenn der Behälter wieder auf 8 Atm aufgepumpt ist. Durch geeignete Hähne ist dafür gesorgt, dass jeder Stromabnehmer für sich aufgerichtet und ab- gelegt werden kann; ausserdem ist auf jedem Führer- stande noch ein Hahn vorhanden, mit dem beide Stromabnehmer gleichzeitig bedient werden können. Ein selbsttätiges Durchlassventil, das zwischen Hauptluftbehälter und Bügelleitung angeordnet ist, schliesst diese gegen jenen ab, sobald zum Ablegen der Bügel die Druckluft aus der Bügelleitung heraus- gelassen wird.Durch besondere mit den Vorspannhähnen der Westinghouse-Bremsventile mechanisch gekuppelte Hähne ist noch dafür gesorgt, dass die Bügelluft- leitung immer nur von dem Führerstande aus mit Druckluft gespeist werden kann, den der Führer gerade zum Fahren benutzt. Der Absperrhahn jedes Stromabnehmers besitzt einen Anschlusstutzen zum Anschliessen einer Handluftpumpe, die in weniger als einer Minute ein Aufrichten des Strom- abnehmers ermöglicht. Motoren. Die beiden Motoren, System Winter- Eichberg der Allgemeinen Elektrizitäts-Gesellschaft, besitzen je 800 PS Stundenleistung und sind voll- ständig offen gebaut. Sie sind achtpolig und für Erregung durch den Läufer eingerichtet. Wegen der offenen Bauart des Motors sind sämtliche Bürsten auf das bequemste zugänglich. Der Ständer des Motors besitzt eine einphasige fortlaufende Wicklung. Ein Teil dieser Wicklung, der in der Wendezone liegt, wird bei höheren Ge- schwindigkeiten durch besondere Schütze an eine Teilspannung des Erregertransformators gelegt und sorgt dafür, dass auch bei diesen Geschwindigkeiten eine gute Kommutierung des Stromes stattfindet. Das Motorgehäuse ist unmittelbar auf kräftigen Rahmen-Querträgern festgeschraubt. Die Lagerung des Motorläufers erfolgt durch sehr reichlich ge- haltene Lager mit einfacher Kissenschmierung. Be- merkenswert ist, dass die Lagerkörper nicht un- mittelbar mit dem Motorgehäuse verbunden, sondern an die Längsträger des Untergestelles angeschraubt sind. Im Interesse einer guten Zugänglichkeit des Kollektors wurde von der sonst meist üblichen „Lagerschildbauart" abgesehen. Die Rahmen sind an den Lagerstellen durch aufgenietete Stahlform- gussstücke genügend versteift. Die Kurbeln der Motorwelle arbeiten in einem Blechgehäuse, das nur nach unten offen ist, um den Durchtritt der Triebstange zur Blindwelle zu ermög- lichen. Zwischen diesem Gehäuse, das sich zur Wartung des Kurbelzapfens leicht öffnen lässt, und der Aussenwand der Lokomotive ist genügender Durchgangsraum. Der Motor saugt sich von der Kollektorseite her seine Kühlluft durch einen auf seiner Welle angebrachten Ventilator an. Transformatoren. Die für jede Lokomotiv- llalfte erforderlichen Transformatoren (Haupttrans- formator, Erregertransformator, Stromteiler und Stromwandler) sind in einem gemeinsamen mit ( >l gefüllten Blechgehäuse untergebracht. Dieses Ge- häuse ist mit aufgenieteten Kühlrippen versehen und wird während der Fahrt, da es vollständig frei am äusseren Ende jeder Lokomotivhälfte steht, durch den Luftzug wirksam gekühlt. Das Transformatorgehäuse ruht in einem auf dem Untergestell mittels Profileisen gebildeten Rahmen. Die aus den Abbildungen ersichtliche, schon früher erwähnte Befestigungskonstruktion des Transformatorgehäuses lässt sich sehr einfach lösen, so dass der Transformator, zu Ausbesserungs- zwecken bequem abgehoben werden kann. Auf der oberen Decke des Transformator- gehäuses befinden sich die Kabelausführungen. So- weit die Kabel nicht zu Verbindungen innerhalb des Transformatorensatzes selbst dienen, werden sie durch einen Kanal unterhalb des Führerraumes in den Schützenraum geführt. Die Decke des Trans- formatorgehäuses mit den Kabeln und mit dem zugehörigen Kabelanschlussbrett ist durch eine be- sondere Blechverschalung geschützt. Die Hoch- spannungswicklung des flaupttansformators ist für 15000 Volt bemessen, kann jedoch für 7500 Volt umgeschaltet werden. Jeder der beiden Haupt- transformatoren kann für Zugheizung 100 KVA bei einer Spannung von etwa 300 Volt abgeben. Stromabnehmer. Jede Lokomotivhälfte trägt einen Bügelstromabnehmer, der für einen Höhen- bereich der Fahrdrahtlage zwischen 4,8 m und 7,15 m über S. O. gebaut ist. Als normale Fahr- drahtlage ist 6,5 m über S. O. vorgesehen. Dieser grosse Höhenbereich in Verbindung mit der Rück- sicht auf das Tunnelprofil und die Notwendig- keit, den Stromabnehmer vollständig in das vor- geschriebene Umgrenzungsprofil ablegen zu können, nötigte zu der Konstruktion eines sehr langen und schmalen Stromabnehmergestelles, dessen Seiten- wangen aus drei pyramidenförmig zusammengesetzten Rohren bestehen. Das Stromabnehmergestell trägt an seinem oberen Ende den eigentlichen Bügel mit dem Schleif- stück, der leicht beweglich ist und sich mit der Fahrrichtung selbsttätig umlegt. Eine Feder sucht den kleinen Bügel stets in der senkrechten Mittellage zu halten. Zum Ausgleich des auf das Stromabnehmer- gestell wirkenden Luftdruckes sind Windflügel vor- gesehen. Der Antrieb der Stromabnehmer erfolgt durch Druckluft; der Antriebszylinder ist unmittelbar im Bügelgestell und ebenfalls von Erde isoliert gelagert. Die Zuführung der Druckluft geschieht durch zwei aufeinander gesetzte rohrförmig durch- bohrte Isolatoren. Der Vorteil dieser Anordnung ist, dass die Kräfte zur Betätigung des Stromabnehmers sich innerhalb des Bügelgestelles aufheben, so dass keine schädlichen Reaktionen auf die Isolatoren kommen und diese daher nach Möglichkeit vor mechanischen Beanspruchungen geschützt sind. Der Antriebszylinder richtet den Stromabnehmer unter Vermittlung einer langen Zugfeder auf. Die Hebelanordnung ist so gewählt, dass der An- pressungsdruck in dem ganzen Höhenbereich nahezu gleichbleibend ist. Hochspannungsschalter. Bei der Führung der Hochspannungsleitungen hat der Grundsatz gewaltet, keine Hochspannung in das Loko- motivinnere zu führen. Der Hochspannungs- schalter ist im Dach des Führerraumes jeder Lokomotivhälfte angeordnet, und zwar so, dass er, mit Ausnahme seiner Betätigungsgriffe zum Ein- und Ausschalten, vom Führerraum aus völlig unzu- gänglich ist. Er ist nach oben durch einen aus Blech bestehenden Aufbau geschützt, der leicht entfernt werden kann, wenn der Hochspannungs- schalter herausgenommen werden soll. Der hoch- gespannte Strom wird in einer blanken Leitung von den Stromabnehmern durch eine Porzellandurch- führung in den erwähnten Aufbau hinein und zum Schalter geführt. Der Aufbau steht mit der schon besprochenen Blechklappe über dem Transformator- gehäuse durch eine halbrunde Blechverschalung im Zusammenhang. In dieser Verschalung wird die blanke Hochspannungsleitung vom Schalter ausser- halb des Lokomotivgehäuses auf dem kürzesten Wege zum Transformator geführt. Die Hochspannungsschalter sind für Betätigung von Hand eingerichtet; es können aber auch beide Schalter gleichzeitig von jedem Führerraum aus durch Druckknöpfe mit elektrischer Fernbetätigung ein- oder ausgeschaltet werden. Führerstände. Die Anordnung der Führer- standsapparate im Führerraum ist folgendermassen Auf der rechten Seite, in der Fahrrichtung gesehen, befindet sich der für gewöhnlich benutzte Führer- stand. Der Führer steht dabei ganz nahe an der Seitentür, um sich gegebenenfalls leicht zum Fenster hinausbiegen zu können. Auf der linken Seite des Führerraumes ist ein zweiter Führerstand vor- gesehen, der aus einem Fahrschalter und einem Bremsventil für die selbsttätige Westinghouse-Bremse besteht und im wesentlichen zu Rangierzwecken be- stimmt ist. In der Mitte des Führerraumes zwischen den beiden Stirnwandfenstern ist die Schalttafel an- gebracht, die zur Aufnahme der Schalter und Sicherungen für die Heizung der Lokomotive und des Zuges, für die Beleuchtung, für die Luftpumpen und für den Steuerstrom dient. In der Nähe des Hauptführerstandes sind die Manometer für die Bremse, ferner Volt-, Ampere- und Wattmeter und der Geschwindigkeitsmesser angeordnet. Sonstige Ausrüstung. Die Motorluftpumpen, von denen sich eine auf jeder Lokomotivhälfte befindet, besitzen je etwa 7 PS Leistung. Sie arbeiten in der schon erwähnten patentierten Schal- tung ständig parallel miteinander und decken ausser dem Druckluftbedarf für die Bremse auch den Be- darf für die Stromabnehmer, für die Sandstreuer und für die Signal-Apparate. Mit Rücksicht auf die niedrige Periodenzahl des verwendeten Wechselstromes erfolgt die Beleuchtung der Lokomotive durch Gleichstrom. Auf der einen Hälfte der Lokomotive befindet sich ein kleiner Wechselstrom - Gleichstrom - Umformer mit Akku- mulatorenbatterie nebst den zugehörigen Schalt- und Regelungseinrichtungen. Die Batterie besteht aus 2X9 Elementen von 81 Amperestunden Ka- pazität. Diese Type wird normal bei den Schweizer Bundeshahnen verwandt. Die Beleuchtungseinrichtung speist auf jeder Lokomotivhälfte drei Signallampen an den Stirn- wänden, zwei Lampen für Innenbeleuchtung und einen Steckkontakt für eine tragbare Handlampe.


Die Lokomotive 1911
Die Grundlagen der elektrischen Vollbahnen
Von Dr.Ing. Friedrich E i c h b e r g

Außerordentlich schnell hat sich der elektrische Betrieb auf Straßenbahnen eingeführt, wesentlich langsamer führt er sich auf Vollbahnen ein. Die Dampflokomotive, die er hier zu verdrängen hat, stellt eine außerordentlich vollkommene Maschine vor. Wenn der elektrische Betrieb den Dampf- betrieb verdrängen soll, so können nicht allein äußerliche Vorteile, wie der Wegfall der Rauchbelästigung, dafür maßgebend sein. Ausschlag- gebend können nur technische und wirtschaftliche Vorteile werden.

Die wirtschaftliche Seite hat vor Jahren Herr Regierungsbaumeister Pforr in dem von ihm in der A E G gehaltenen Vortrage auseinandergesetzt. Aus seinen Darlegungen ging hervor, daß selbst unter der Voraussetzung, daß die gesamte elektrische Energie für ein großes Vollbahnnetz, etwa das preußisch-hessische. in Dampf-Kraftwerken erzeugt werden müßte, der elektrische Betrieb an Wirtschaftlichkeit dem Dampfbetrieb gleich käme.

Es ist ein leichtes, bei großen Kraftwerken, wie sie allein für den elektrischen Vollbahnbetrieb in frage kommen, einen Strompreis von 3'5 Pf./ pro KW-Std. zu erzielen, der in sich schon die. Verzinsung und Abschreibungen des Kraftwerkes enthält. Unter der Voraussetzung dieses Strompreises würden die gesamten Stromkosten nicht mehr betragen, als die jetzigen Kosten für die Kohlen, vermehrt um die beim elektrischen Betrieb erzielbaren Ersparnisse an Beleuchtungsmitteln, Putzmitteln und dergleichen.

Was sonst beim elektrischen Betrieb an Er- sparnissen erzielt wird, insbesondere durch die Verminderung des Personals und durch die bessere Ausnützung der Betriebsmittel, würde vollkommen ausreichen, um die für die Anschaffung der elektrischen Betriebsmittel und der Fahrdrahtanlagen erforderlichen Kapitalien mit 50/0 zu verzinsen.

Liegen also die Verhältnisse selbst bei einem großen Netz, das ausschließlich durch Dampfkraftwerke zu versorgen ist, auch vom wirtschaftlichen Standpunkt recht günstig, so wird der Vorteil des elektrischen Betriebes ganz besonders dann nachweisbar sein, wenn es sich um Gebiete mit sehr starkem Güterverkehr, um Gebiete mit großen Steigungen (Gebirgsbahnen) und um die Erreichung eines sehr dichten Verkehrs mit hohen Geschwindigkeiten handelt. Auch wo diese besonderen Strecken- und Verkehrsverhältnisse nicht vorliegen, wo aber billige Wasserkräfte zur Verfügung stehen, läßt sich die erhöhte Wirtschaftlichkeit im Vergleich mit dem Dampfbetrieb leicht nachweisen.

Die technische Ueberlegenheit des elektrischen Betriebes ist dadurch gegeben, daß die Dampflokomotive sowohl bezüglich der erreichbaren Zugkräfte als auch bezüglich der erreichbaren Geschwindigkeit an einer Grenze angelangt ist, über die die elektrische Lokomotive unschwer hinauskommen kann. Der Wegfall der ver- änderlichen Zugkraft, der nicht ausbalanzierten Massen, der Verschlackung der Kessel und der Notwendigkeit des Wasserersatzes, all dies sind technische Vorteile der elektrischen Maschine gegenüber der Dampflokomotive.

Andererseits sind die Anforderungen, die der Vollbahnbetrieb an unsere elektrischenAusrüstungen stellt, außerordentlich groß, Es handelt sich nicht nur um einen zeitweise sehr forzierten Betrieb, sondern um dauernde Erschütterungen in allen Teilen der elektrischen Maschine und Steuerung; es handelt sich um die Einwirkung der Witterung auf unsere leider nicht nur aus Eisen und Kupfer bestehende elektrische Maschine, und es ist ferner eine Anordnung der Streckenausrüstung erforderlich, die bei der größten Einfachheit absolute Betriebssicherheit gewährleistet. Wie aus den folgenden Auseinandersetzungen hervorgehen wird, lassen sich dabei hohe Spannungen nicht vermeiden, und wir müssen daher sowohl auf der Strecke als auch bei den Betriebsmitteln mit hohen Spannungen rechnen.

Als man dem Problem der elektrischen Vollbahnen näher trat, ging man selbstverständlich vom Straßenbahnmotor und von der Straßenbahn-Oberleitung aus. Aber ebensowenig wie der heutige moderne Straßenbahnmotor mit den ersten für die Straßenbahn zur Anwendung gebrachten Bahnmotoren etwas gemein hat, ebensowenig gleicht der heutige Vollbahnmotor dem normalen Straßenbahnmotor.

Die Entwicklung der Straßenbahnmotoren ging von Amerika aus. Dort wurden aus den empfindlichen stationären Motoren mit Bürstenverschiebung zum ersten Male Motoren mit konstanter Bürstenstellung, hoher Sättigung in den Zähnen, geschlossener Bauart und vorzüglicher lsolation entwickelt. Dieser Typus des elektrischen Straßenbahnmotors ist bis in die letzten Jahre fast unverändert geblieben und hat sich in Europa namentlich unter Führung der damaligen Union- Elektrizitäts-Gesellschaft - schnell eingeführt.

Erst in den letzten Jahren ist - und zwar hier in Europa - der Straßenbahnmotor wirklich vervollkommnet worden und das geschah durch die Einführung von l'lilfspolen. Durch sie wurde es möglich, Bahnen mitSpannungen bis 1000 Volt zu bauen, und es werden zweifellos auch Bahnen mit 1500 Volt und 2000 Volt praktisch einwandfrei gebaut werden können. Das gibt die Mög- lichkeit, über den Rahmen der Städte hinaus Verbindungen in die benachbarten Orte zu schaffen.

Die Lösung des Vollbahnproblems ist aber dadurch kaum gefördert worden. Die großen elektrischen Lokomotiven, die derzeit in Amerika, England und Frankreich mit Gleichstrom arbeiten, bestreichen nur verhältnismäßig kurze Strecken. Wenn auch diese Lokomotiven einstweilen nur mit 600 bis 700 Volt arbeiten, so wurde doch auch eine Spannungserhöhung auf 1500 oder 2000 Volt eine Erweiterung der mit Gleichstrom bestreichbaren Flächen in einem solchen Maße, wie es der Vollbahnbetrieb erfordert, nicht ergeben. Zudem bleiben die rotierenden Umformer, vor allen Dingen aber die Stromzuführung durch die 3. Schiene, die auch bei 2000 Volt nicht zu umgehen wäre, unliebsame Begleiterscheinungen des Gleichstrombetriebes.

Die 3. Schiene ist eine vom Oberbau isolierte, unter Spannung befindliche Schiene, die im Gleisniveau liegt. ln Stationen, bei Straßenkreuzungen bietet sie unzweifelhaft eine große Gefahr für das PublikumNoch schlimmer istaber der Umstand, daß sie die Erhaltung des Oberbaues, die für einen regelrechten Vollbahnbetrieb die erste Lebensfrage ist, sehr erschwert und verteuert.

Vom eisenbahntechnischen Standpunkt kommt für den Vollbahnbetrieb nur eine Leitungsanlage in Betracht, die nicht im Gleisniveau liegt, sondern über dem Gleis. Vom elektrischen Standpunkt hinwiederum ist es wünschenswert, die in der Zentrale erzeugten Wechselströme direkt zu verwenden. Auf diese Weise können die rotierenden Umformer auch dann vermieden werden, wenn es sich um Versorgung großer Netze und um schwere Betriebe handelt.

Dem Stande der Elektrotechnik entsprechend wurde zuerst der Antrieb der Fahrzeuge durch Drehstrommotoren ins Auge gefaßt. Die Ver- suche auf der Valtellina-Bahn, die mit 3000 Volt Drehstrom, 15 Perioden, durchgeführt wurden, noch mehr aber die in Berlin zur Ausführung gelangten Schnellbahn-Versuche haben die weitesten Kreise für den elektrischen Vollbahnbetrieb interessiert. Wurden die Valtellina-Versuche mit 3000 Volt durchgeführt, so ging man bei den Schnellbahn- versuchen bis zu 14.000 Volt Drehstromspannung am Bügel, und es ergab sich die erfreuliche Tatsache, daß die Abnahme so hochgespannter Ströme auch bei sehr hohen Geschwindigkeiten mit sehr ge- ringen Verlusten bezw. Feuererscheinungen und mit geringer Abnutzung der Bügel durchgeführt werden kann.

Noch ein anderes sehr wichtiges Ergebnis zeitigten die Schnellbahnversuche. Der Wagen der AEG war mit Motoren, die die Achsen direkt antrieben, ausgerüstet. Zwischen der hohlen Motorachse und der Wagenachse war eine Federung eingeschaltet, die sich auch bei den anormal hohen Geschwindigkeiten ganz vorzüglich bewährte. Das Bestreben, die schweren Motorgewichte von den Achsen wegzubringen, hat seither nicht mehr geruht, und wir werden bei den letzten Konstruk- tionen, die hier vorgeführt werden sollen, sehen, in welcher Weise die Abfederung der Motoren nunmehr erreicht ist. Wenn auch die Schnellbahnversuche das lnteresse des Publikums für den elektrischen Bahnbetrieb mehr gefördert haben als irgend eine andere Maßnahme, und wenn auch die technischen Erfolge von Bedeutung waren die Lösung des elektrischen Vollbahnbetriebes war damit nicht gegeben.

Auf der Valtellina-Bahn hatten sich schon bei 3000 Volt Drehstromspannung nicht nur sehr kom- plizierte Konstruktionen in den Weichen und Kreuzungen ergeben, sondern es wurde auch die Ver- wendung von Holz-lsolation in der Oberleitung erforderlich. Die seitliche Stromabnahme, die bei den Schnellbahnversuchen zur Ausführung kam, ließ sich aber, wie bereits erwähnt, in Weichen und Kreuzungen nicht durchführen. Sollte der elektrische Vollbahnbetrieb durchgeführt werden, so konnte es nur mit einer einpoligen Hochspannungsoberleitung geschehen. Dies aber bedeutete die Verwendung eines einphasigen Wechsel- strommotors.

Bis zum Jahre 1900 war der einphasige Wechselstrommotor das Stiefkind der Elektrotechniker. Es ist von großem Interesse, die damalige Literatur zu studieren und sich die Meinungs-‘ äußerungen hervorragender Elektrotechniker aus jener Zeit ins Gedächtnis zurückzurufen. Der Einphasen-Induktionsmotor war ein sehr unvollkommener Drehstrommotor, last ohne Anzugskraft und daher für den Bahnbetrieb unbrauchbar; der Einphasen-Kollektormotor feuerte. Er feuerte nach der Meinung der Theoretiker grundsätzlich und kein praktischer Elektrotechniker hatte Hoffnung, diesen Motor je im großen Stil zu verwerten. Die Lösung des elektrischen Vollbahnbetriebes war daher gleichbedeutend mit der Durchbildung eines praktisch brauchbaren, betriebssicheren einphasigen Kollektormotors. Bis zum Jahre 1902 war kaum ein einphasiger Kollektormotor von mehr als 10 PS Leistung im Betrieb und auch diese Motoren zeichneten sich durch eine schlechte Kommutierung aus. Das Kommutierungsproblem war es also, das gelöst werden mußte, um den Einphasen-Kollektormotor betriebsfähig zu machen.

Während nun Lamme in Amerika die Lösung durch Einschaltung von Widerständen in die Kom- mutatorverbindungen zu finden glaubte und auf diese Weise eine Verbesserung auf der Kommu- tator-Oberfläche durch eine Betriebsunsicherheit im Anker aufwog, gelang es der damaligen Union-Elektrizitäts-Gesellschaft, einen Einphasen- Kollektormotor zu finden und in die Praxis um- zusetzen, der in der Tat nur aus einem einphasigen Stator von einfachstem Aufbau und aus einem Anker bestand, der im konstruktiven Aufbau genau so massiv wie ein Gleichstromanker war.

Nach den ersten Versuchen im Jahre 1902 wurde schon im Jänn. 1903 an denm Bau eines 1ooPS-Ein-phasen-motors von 6000 Volt, 25Perioden, gegangen und durch das große Entgegenkommen der Preuß. Eisenbahn- verwaltung, die die Bedeutung des Einphasensystems klar erkannte, gelang es schon am 14. August 1903, einen Versuchsbetrieb in größerem Maßstabe auf der Strecke Niederschöneweide-Spindlersfeld zu veranstalten. In dreiviertel Jahren war aus einem schüchternen Versuchsmotor ein wirklicher Vollbahnzug geworden und wenn es auch anfänglich mancherlei zu verbessern gab, so gelang es doch der AEG, dieses Einphasensystem ‚in kurzer Zeit zu einer solchen Vollkommenheit zu bringen, daß sich die Staatsbahnverwaltung zur Einführung dieses Systems auf der Stadt- und Vorortbahn-Blankenese-Altona- Hamburg-Ohlsdorf entschloß.

Nicht etwa nur darum wurde die Einführung des elektrischen Betriebes auf der Hamburger Vorortbahn beschlossen, weil auf dieser Linie der hochgespannte Einphasenstrom richtig angebracht war; maßgebend hierfür war auch erstens die Aussicht auf spätere Erweiterung nach Friedrichsruh und zweitens die Absicht, den neuen einphasigen Vollbahnmotor im großen Maßstabe zu versuchen. Wie allgemein bekannt ist, wurden der Allgemeinen Eiektrizitäts-Geselischaft die gesamten Betriebsmittel in Auftrag gegeben, nicht weniger als 54 Wagen mit je 3 Motoren ä 115 PS. Seit jener Zeit hat die AEG einen zweiten Auftrag auf 25 Wagen mit je 2 Motoren ä 200 PS ausgeführt und neuerdings einen Auftrag auf 17 Wagen mit 2 x 200 PS-Motoren zur Ausführung erhalten. In kurzer Zeit werden daher nicht weniger als 35.430 PS einphasiger Wechselstrom-Kollektormotoren auf der Hamburger Strecke im Betriebe sein.

Bevor ich auf die Motoren selbst eingehe, will ich jedoch noch einige Erläuterungen über die einpolige Hochspannungszuführung geben. Auch auf dem Gebiete der einpoligen Hochspannungszuführung sind die Versuche auf der Strecke Niederschöneweide-Spindlersfeld fruchtbringend geworden. Dort ist zum ersten Male von der bei Straßenbahnen üblichen Queraufhängung abgewichen und der Stromzuführungsdraht an zwei Stahlseilen oder an einem Stahlseil in Abständen von je 3m aufgehängt worden. Diese Aufhängung hatte erstens den Zweck, bei eventuellen Drahtbrüchen eine Berührung der Leitung durch Personen, die sich an den Wagenfenstem befinden oder auf der Strecke gehen, zu verhüten, zweitens sollte durch sie die Gefahr eines Drahtbruches verhütet werden. Diese Drahtbrüche finden bei Straßenbahnen meist an den Aufhängungspunkten statt, da diese steife Punkte darstellen und einer dauernden Beanspruchung durch die Stromabnehmer ausgesetzt sind. Solche steife Aufhängungspunkte fallen aber bei der Längsauf: hängung (Kettenoberleitungl vollkommen weg. Abb. l und 2 zeigen Teile der Strecke Niederschöneweide-Spindlersfeld. In der Anordnung Abb.1 sind 2 Aufhängedrähte vorgesehen, an denen der eigentliche Fahrdraht hängt; das Bild selbst stellt den Straßen’ubergang bei Niederschöneweide vor. Die Anordnung Abb. 2 zeigt die «einfache» Kettenaufhängung, bei der der Oberleitungsdraht nur an einem Stahldrahthängt.



Die Kettenoberleitung gestattet auch außerordentlich einfache Konstruktionen in den Weichen und Kreuzungen. Auf diese Weise konnte mit einer Spannung von 6000 Volt am Fahrdraht ein dauernder und ungestörter Betrieb erzielt werden und es ist fraglos, daß diese Oberleitung auch bei Spannungen bis 15.000 Volt absolut betriebssicher arbeiten muß. Die Abb. 3 stellt die Oberleitung auf der Königl. Materialversuchsbahn nahe bei Oranienburg dar, sie veranschaulicht die große Einfachheit in der Geraden und in der Gleiskreuzung.



Die bei den Einphasenmotoren zur Ausführung gelangten Prinzipien sind folgende:

1. In der Maschine wird außer dem Magnetfeld ein zweites Feld erzeugt, das im Raume und der Phase nach senkrecht zu dem Magnetfeld ist und das in den Spulen, die von den Bürsten kurz geschlossen werden, eine elektromotorische Kraft erzeugt, die der schädlichen, durch die Induktion des Magnetfeldes erzeugten, entgegenwirkt.

2. Durch dieses Feld wird gleichzeitig der Leistungsfaktor der Maschine verbessert, wenn außer den Arbeitsbürsten noch Erregerbürsten angeordnet werden.

3. Um die Funkenbildung beim Anlauf zu verhindern, wird das Verhältnis der Arbeits- und der Erreger-Amperewindungen in der Maschine für den Anlauf erhöht.

Durch das Querfeld wird also die Funken- bildung verbessert und der Leistungsfaktor gehoben. Die Bedeutung des ersten Punktes für die Erhal- tung des Koilektors und der Bürsten isteinieuchtend. Von ebenso großer Wichtigkeit ist jedoch der zweite Punkt, weil erst dadurch die Durchführung großer Luftspalte und grobnutiger Anker, wie sie der Bahnbetrieb verlangt, ermöglicht wurde.

Die dritte Aufgabe wurde erfüllt durch die Anwendung des Erregertransformators, der bei einfachem konstruktiven Aufbau und geringen Kosten den für Kollektormaschinen gefährlichen Anlaufin vollkommen einfacher und betriebssicherer Weise durchzuführen erlaubt.

Auch sonst zeigte sich der neue Motor bei der konstruktiven Durchbilaung als für den Bahn- betrieb sehr gut geeignet.

Abb. 4 führt den Anker eines 200 PS-Motors vor, wie er im Hamburger Betrieb zur Verwendung gelangt. Sein konstruktiver Aufbau entspricht genau dem eines Gleichstromankers. Abb. 5 zeigt den Stator desselben Motors, der nur eine einzige einphasige Wicklung hat, und der sich durch ganz besondere Einfachheit auszeichnet. Es gibt keine Wicklungskreuzungen. keine Schmutzwinkel; die Wicklung wird vollkommen fertig gemacht und der ganze Körper mit der Wicklung ist auswechselbar. Abb. 6 stellt den gesamten Aufbau dieses 200 PS-Motors dar.



Während mit der Durchbildung des 200 PS- Motors, der sich für Untergestelle mit 1 m Raddurchmesser eignet und ein Gesamtgewicht von 3t ohne Zahnräder und 3,3 t mit Zahnrädern und Zahnradschutzkasten hat, die Frage des Motorwagenbetriebes als vollkommen gelöst betrachtet werden konnte, wagte sich die AEG schon im Jahre 1905 an den Bau von Wechselstrommotoren für Lokomotivbetrieb. Zunächst wurde eine Type durchgehildet, die ungefähr 350 PS eine Stunde lang und 250 PS dauernd zu leisten vermag und für Zahnradübertragung eingerichtet ist. Durch diesen Motor, der in Abb. 7 dargestellt ist, wurde gleichzeitig ein Leistungsrekord aufgestellt, da er der erste Einphasenmotor von so großer Leistung war. Es wurde aber auch zum ersten Male bewiesen, daß man bei Verwendung geeigneter Materialien auch so große Kräfte durch Zahnräder übertragen kann. Drei solcher Motoren sind in eine Lokomotive (Abb. 8) eingebaut worden, die auf der Königlich Preußischen Material-Versuchsbahn bei Oranien- burg läuft. Die Lokomotive treibt einen Zug von 350 t; sie muß auf der genannten Strecke bis zu 900 km pro Tag-laufen. Auf dieser Lokomotive werden die Motoren und der Transformator durch einen separat aufgestellten Ventilator gekühlt.



Für große Geschwindigkeiten über 80 km wird sich der Zahnradantrieb nicht mehr bewähren, und die AEG ist daher auch an die Konstruktion von Motoren gegangen, welche die Achsen direkt antreiben.

Derzeit sind 3 große Lokomotiven in Arbeit von denen die eine für die Schweizer Bundesbahnen, die zweite für die Chemin de fer du Midi und die dritte für die Preußische Staatsbahn bestimmt ist. ln allen Fällen treiben die Motoren die Achsen durch Kuppelstangen an. ln Abb. 9 ist die für den Lötschbergtunnel der Schweizer Bundesbahnen bestimmte Maschine, die gegenwärtig schon im Betrieb ist, dargestellt. Die Maschine besteht aus zwei kurzgekuppelten Hälften, von denen jede zwei Adhäsions-Achsen und ein Krauß-Helmholtzsches Drehgestell hat. Die beiden Adhäsionsachsen sind miteinander und mit einer Blindwelle gekuppelt. Die Blindwelle wird von der Motorwelle durch vertikale Kuppelstangen angetrieben. Die Transformatoren sind vorn bezw. rückwärts angebracht und die im übrigen von einander unabhängigen Lokomotivhälften können von irgend einem Führer- stand durch Zugsteuerung betätigt werden.

Das Leistungsprogramm verlangte die Be- förderung eines Wagenzuges von 25ot auf 27%0 Steigung mit 40 km/St. Geschwindigkeit und von 400 t auf 15,5 0/00 mit der gleichen Geschwindigkeit, kleinster Krümmungshalbmesser 25om auf den Strecken, 180m in den Bahnhöfen. Die beiden 800 PS-Motoren ergeben eine höchste Anfahrzugkraft von 13,5t (1/5 der Adhäsion), während bei 40 km/St. Geschwindigkeit die Zugkraft nur mehr 8000 kg beträgt. Die Anfahrbeschleunigung muß mindestens 0,05 m/Sek. betragen. Zwecks guter Führung ist die Laufachse mit der benachbarten Kuppelachse zu einem Krauß-Helmholtz-Gestelle vereinigt, so daß die geführte Länge einer Lokomotivhälfte 4250 mm beträgt.




Die Konstruktion des Motors geht aus Abb. 11 hervor. Der Motor ist zwischen die beiden Lokomotivrahmen eingebaut. Der Stator ist zweiteilig, so daß der Motor bequem demontiert werden kann.

Auch diese 800 PS-Motoren waren konstruktiv nicht schwer zu bewältigen und damit war das letzte Problem, das uns die Elektrisierung der Vollbahnen aufgegeben hat, das Problem großer direktgekuppelter Motoren, gelöst.



Die Elektrotechnik hat also die sämtlichen Wünsche der Eisenbahn-Techniker erfüllt. Durch einen einzigen Oberleitungsdraht, ohne Unterstationen mit rotierenden Maschinen, können wir die größten Leistungen, die der Bahnbetrieb erfordert, innerhalb der zulässigen Gewichte und Größen- verhältnisse einbauen. Der raschen Einführung des elektrischen Betriebes steht also technisch nichts mehr entgegen.
Das Deutsche Eisenbahnwesen der Gegenwart - 1911
Die Versuchsbahn bei Oranienburg.
Von C. Brättning, Geheimem Baurat in Köslin.

1. Entstehungsursache und Zweck.

Die außerordentliche Mannigfaltigkeit in der Bauart der Eisenbahngleise und ihrer einzelnen Bestandteile, die auseinandergehenden Ansichten über die Zweckmäßigkeit dieser Bauarten, und die Mißerfolge, denen weitverbreitete Oberbauarten auch in der Neuzeit ausgesetzt waren, lassen darauf schließen, daß die Anforderungen, die an Gestalt und Ausbau des Gleises bis ins einzelne gestellt werden müssen, auch jetzt noch nicht genügend erkannt sind, um als untrügliche Unterlage für den Gleisbau verwertet werden zu können.1. Entstehungsursache und Zweck. Die außerordentliche Mannigfaltigkeit in der Bauart der Eisenbahngleise und ihrer einzelnen Bestandteile, die auseinandergehenden Ansichten über die Zweckmäßigkeit dieser Bauarten, und die Mißerfolge, denen weitverbreitete Oberbauarten auch in der Neuzeit ausgesetzt waren, lassen darauf schließen, daß die Anforderungen, die an Gestalt und Ausbau des Gleises bis ins einzelne gestellt werden müssen, auch jetzt noch nicht genügend erkannt sind, um als untrügliche Unterlage für den Gleisbau verwertet werden zu können.
Es erscheint auffällig, daß ein so einfaches Gefüge, wie das Eisenbahngleis, sich solange der sicheren Beurteilung entzieht, daß eine Zeit von 80 Jahren noch nicht genügt hat, um Formen zu entwickeln, die allgemein als mustergültig angesehen werden können, während doch über die Grundsätze in dem Bau der verwickeltsten Tragwerke bereits volle Klarheit herrscht. Wie kann es geschehen, daß wir die kühnsten Brücken in schwindelnder Höhe, in den verwegensten Spannungen leicht und sicher hinstellen, während wir vor einer so winzigen Brücke, wie dem Eisenbahngleis, oft enttäuscht und ratlos stehen und nicht wissen, wie wir seinen Gebrechen abhelfen sollen? Was ist das Gleis anderes als eine fortlaufende Brücke mit unzählig vielen engen Jochen, ihre tragenden Balken die Schienen, ihre stützenden Pfeiler die Schwellen, ihr lastverteilendes Fundament die Unterbettung?

Schwächen des Gleises.

Aber das Bild ändert sich bei näherer Betrachtung. Gerade was den großen Brücken die Standsicherheit und Dauerhaftigkeit gibt , muß diese kleine entbehren. Unentbehrlich für jede große Brücke ist ein unnachgiebiger Baugrund, mit dem der Stützpfeiler zu einer regungslosen Masse verwächst. Das Gleis aber lagert lose und beweglich auf einer Unterbettung, die zwar aus widerstandsfähigem Stoff gebildet, aber als lose, geschüttete Masse keineswegs imstande ist, dem Gleise eine unveränderliche Grundlage zu bieten. Einer, großen Brücke wird ferner nichts weiter zugemutet, als die Last sicher aufzunehmen und auf die Fundamente zu übertragen, den unmittelbaren mechanischen Angriffen der überrollenden Last aber sind die Haupttragewerke entzogen. Das Gleis dagegen, in dem die Schiene selbst als Hauptträger auftritt, empfängt ohne jede Vermittlung die gewaltigen Schläge der Räder, ist auch nicht imstande, diese mechanischen Angriffe in sich voll zu verarbeiten, sondern genötigt, sie mit nur geringer Abschwächung bis auf den Untergrund zu übertragen. Das Gleis befindet sich daher in der unglücklichsten Lage von allen Tragwerken. Es ist den stärksten Kraftäußerungen ausgesetzt, entbehrt aber des festen Haltes unter den Füßen. Die notwendigen Folgen dieses Zustandes sind stetige Veränderungen der Gleislage, Lockerungen des Gefüges, Abnutzung der einzelnen Bestandteile, der Schienen, Schwellen, Verbindungsstücke und auch der Unterbettung. Je weiter diese Veränderungen fortschreiten , desto mehr Angriffspunkte schaffen sie den zerstörenden Kräften, desto verderblicher werden sie für den Gesamtzustand des Gleises, desto störender aber auch für den ruhigen Lauf der Fahrzeuge. Näheres hierüber ist an anderen Stellen des vorliegenden Werkes gesagt. Vergl. Kap. III (Der Eisenbahnoberbau) und Kap. XIV (Unterhaltung der Gleis- und Weichenanlagen).

Kostenaufwand.

Die dauernde Sorge für die Schonung des Gleises und der Fahr-zeuge und weiter für die Ruhe und Sicherheit der Fahrt zwingt zu außerordentlich hohem Aufwand an Arbeitsleistungen und Kosten für die Instandhaltung und Erneuerung der Gleise. Belaufen sich doch allein im Bereiche der preußischen und hessischen Staatsbahnen die jährlichen Ausgaben für den Gleisoberbau auf etwa 170 Millionen Mark.

Gleisverbesserungen.

Diese einschneidende wirtschaftliche Bedeutung der Oberbaufrage führte schon seit dem Bestehen der Eisenbahnen dazu, allen Scharfsinn aufzuwenden, um die Widerstandsfähigkeit und Dauerhaftigkeit des Gleises und seiner Lagerung zu verbessern. Die Geschichte des Gleisbaues zeigt, daß jedes nur ausdenkbare Mittel versucht, jede nur mögliche Form, eingeführt wurde, immer in der Meinung, nun das Beste gefunden zu haben. Aber die meisten Neuerungen verschwanden so schnell, wie sie erstanden waren, ja man kehrte oft auf weiten Umwegen wieder zu den alten Mustern zurück, die man nun durch stärkere Formen und durch ein kräftigeres Gefüge aufbesserte.

Mißerfolge.

Die Ursachen solcher Irrfahrten sind darin zu suchen, daß es an einer klaren Erkenntnis fehlte, welche Kräfte überhaupt im Gleise wirken, wie die einzelnen Bestandteile des Gleises von diesen Angriffskräften betroffen werden, und welchen Ansprüchen sie genügen müssen, um den Angriffen mit Erfolg Trotz bieten zu können.

Persönliche Erfahrungen.

Welche Mittel für diese Erkenntnis stehen uns nun zu Gebote? Das nächstliegende ist wohl die Praktische Erfahrung. Wer mit Aufmerksamkeit und Ausdauer, ausgestattet mit technischem Ver-ständnis, die Schäden verfolgt, wie sie in die Erscheinung. treten, ist wohl imstande, richtige Rückschlüsse auf die Ursachen dieser Schäden zu ziehen, vorhandene offenbare Fehler für die Zukunft auszuschalten, hier zu verstärken, dort neue bessere Formen zu schaffen und dabei die Fortschritte in der Eisenbearbeitung auszunutzen.

Unsicherheit der Erfahrungen.

Solche rein persönlichen Erfahrungen waren früher allein maßgebend für die Entwicklung des Gleisbaues, sind auch jetzt unentbehrlich zur Beurteilung einer großen Reihe prak-tischer Fragen und zur Schärfung des technischen Verständnisses. Und dennoch bergen sie eine unverkennbare Gefahr; denn auf diesem weiten und wechselreichen Gebiet, wo die Vorgänge sich oft recht langsam abspielen, wird es kaum einem einzelnen möglich sein, seine persönlichen Erfahrungen nach allen Richtungen so gleichmäßig auszubilden und zu vertiefen, daß er in der Beurteilung aller Erscheinungen und in der Bewertung bestimmter Formen einen stets zuverlässigen Anhalt gewinnt. Ungenügender Umfang der Erfahrungen aber führt zu Lücken und zu Irrtümern in den Schlußfolgerungen. Wer nicht das Ganze gleichmäßig beherrschen kann, legt sich leicht in bestimmten Formrichtungen fest und entbehrt der Vorurteilslosigkeit und des freien Blickes für andere Richtungen, andere Meinungen, er wird und schafft einseitig. Ist seine Tätigkeit zu Ende, so verschwindet mit ihm vielleicht eine ganze Richtung, deren Träger er war. Andere treten an die Stelle, mit anderen Erfahrungen, anderen Meinungen, für welche sie dieselbe Berechtigung verlangen wie jener für seine Meinung. Die Geschichte des Gleisbaues ist reich an solchen gewaltsamen Richtungsänderungen und zeigt, daß die rein Persönliche Erfahrung nicht zu der nötigen Stetigkeit in der Wertmessungenen geführt hat.

Wissenschaftliche Behandlung

Ein anderes Erkennungsmittel, der vollständige Gegensatz zur Persönlichen Erfahrung, ist die reine Wissenschaft. Sie hat zum Ziele, aus zwingenden mathematischen Folgerungen Gesetze zu entwickeln, mit ihrer Hilfe die im Gleise wirkenden Kräfte und Beanspruchungen zahlenmäßig festzulegen und daraus Formen für das Gleis abzuleiten, die den Beanspruchungen am besten genügen. Die Wissenschaft steht tatsächlich auf der Höhe, solche Berechnungen einwandfrei durchführen zu können, und es möchte scheinen, daß dieser Weg der sicherste von allen sein müßte, da er ja alle persönlichen Irrtümer ausschaltet, nur den ewig wahren mathema tischen Gesetzen folgend. Doch um zu bestimmten Zahlenwerten zu gelangen, muß die Rechnung auch bestimmte Werte voraussetzen. Das sind für die Gleisberechnung die Größe der Raddrücke und sonstigen Angriffskräfte, die Festigkeit und die elastischen Eigenschaften der Baustoffe im Gleise. Die Eigenschaften vom Eisen, Stahl und Holz sind genügend bekannt, auch so gleichmäßiger Art, daß sie ohne weiteres als Festwerte in die Rechnung eingefügt werden können. Auch die Werte für die Bettungsstoffe sind durch Versuche ermittelt, schwanken indessen in ziemlich weiten Grenzen je nach der Form und Größe des Kornes, nach den Witterungseinflüssen, den Erschütterungen durch die Betriebslast und der Art und Sorgfalt der Gleisunterhaltung. Durch stetige Verbesserung der Unterbettung und vermehrte Sorgfalt in der Gleisunterhaltung werden indessen diese Schwankungen mehr und mehr ausgeglichen und größere Übereinstimmungen in der Lagerung der einzelnen Schwellen auf der Bettung erzielt, dadurch aber Mittelwerte für die einzelnen Bettungsarten gewonnen, die der Rechnung ohne schädliche Fehler zugrunde gelegt werden können.

Mängel der Berechnung.

Anders steht es mit den äußeren Angriffskräften, die auf das Gleis einwirken. Denn nicht allein die ruhige Last der Fahrzeuge, die ja bekannt ist, kommt in Frage, sondern die gewaltigen mechanischen Angriffe der Räder, hervorgebracht durch unvermeidliche Unebenheiten im Gleise, Unterbrechungen der Laufbahn an den Schienenenden, Arbeitswirkungen der Lokomotiven und schließlich durch die schnell wechselnde Belastung und Entlastung jeder Gleisstelle. Die Größe dieser mechanischen Angriffe durch Rechnung zu ermitteln oder an-nähernd zu schätzen, ist bisher nicht gelungen, nur soviel ergibt sich aus mathematischen Überlegungen und aus den Erscheinungen im Gleise, daß die mechanischen Angriffe mit einer ruhenden Last gar nicht in Vergleich zu ziehen sind, weil sie eine besondere Kraftart, die Stoßkraft oder die lebendige Kraft einführen, die der ruhenden Last abgeht, daß aber ferner die mechanischen Angriffe, selbst wenn sie mit leichteren Massen arbeiten, eine zerstörendere Wirkung auf das Gleis ausüben, als eine vielfach größere ruhende Last. Gleichwohl ist die Rechnung gezwungen, sich mit ruhenden Lasten abzufinden und darin liegt bis jetzt ihre Schwäche, darauf beruhen auch manche Mißerfolge mit Gleisarten, die ihre Formgebung nur dieser Berechnungsart verdanken, wie der ganze eiserne Langschwellenbau, auch der ältere eiserne Querschwellenbau.

Wert der Berechnung.

Es wäre aber nicht gerechtfertigt, deswegen der Gleisberechnung ihren praktischen Nutzen absprechen zu wollen. Sie gibt vielmehr auch da, wo sie nicht mit ganz bestimmten Zahlenwerten arbeiten kann, eine lebendige Anschauung von der Art der Beanspruchung, sie gibt Aufschlüsse, wo die gefährlichsten Stellen im Gleise zu suchen sind, und entwickelt bestimmte Bedingungen, denen irgend ein Gleisteil entsprechen muß, um seiner Aufgabe im ganzen Gefüge gerecht werden zu können, schafft daher eine gleichmäßige Widerstandsfähigkeit in der ganzen Gliederung des Gleises, findet schließlich zweckmäßige Formen und Abmessungen für Schienen, Schwellen und Laschen. Mit fortschreitender Festigung des Gleisgefüges, besonders aber mit der besseren Lagerung des Gleises auf der Unterbettung werden die unberechenbaren mechanischen Angriffe abgeschwächt, die Rechnung tritt dann mehr in ihre Rechte ein und gewinnt an Vielseitigkeit und Zuverlässigkeit. Die theoretischen Entwicklungen von Schwedler, Winkler und vor allen die scharfsinnigen Berechnungen des Eisenbahn-Oberbaues von Dr. H. Zimmermann sind jetzt schon für den Gleisbau unentbehrliche Grundlagen, sie werden in dem Maße wertvoller, als es gelingt, ihnen neue feste Zahlenwerte einzufügen. Solche Werte sind aber nur zu gewinnen durch vielseitige, vertiefte Beobachtungen.

Geordnete Beobachtungen.

Hiermit kommen wir zu einem neuen Erkenntnismittel, das zwischen der persönlichen Erfahrung und der rein wissenschaftlichen Behandlung steht, beide vermittelnd und ergänzend, den geordneten Beobachtungen, deren Ziel ist die Festlegung der Erscheinungen und Zustände im Gleise nach Maß und Zahl. Ihre Ergebnisse sind als unpersönliche Erfahrungen zu bezeichnen, sie bedeuten Festwerte, die nicht für den Beobachter allein, sondern allgemein und dauernd Gültigkeit behalten sollen.

Statistik.

Die scheinbar einfachste Form der Beobachtung ist die Statistik, die sich darauf beschränkt, für einen größeren Bezirk Aufzeichnungen über die Beschaffungs- und Unterhaltungskosten, die Lebensdauer bestimmter Gleisarten oder deren einzelner Teile und über andere für die Bewertung einer Oberbauart wichtige Tatsachen zu führen und daraus gewisse Durchschnittszahlen abzuleiten. So einfach diese Art erscheint, so schwer ist es doch, allein aus der Statistik ein klares Bild von dem Werte irgend einer Bauart zu erhalten. Denn sie gibt so gut wie keine Aufklärung über die besonderen Umstände, welche für die Kosten der Gleisunterhaltung und für die größere oder geringere Dauerhaftigkeit des Gleises maßgebend gewesen sind, sie gibt vielfach tote Zahlen, mit denen für den Gleisbau nicht viel anzufangen ist. Die Statistik ist auch nur in beschränktem Maße imstande, die wirkliche Lebensdauer eines Gleises nachzuweisen. Denn nur selten wird auf den Hauptverkehrsstrecken ein Gleis in unveränderter Lage vollständig ausgenutzt, es weicht vielmehr meistens vorzeitig einer neuen kräftigeren Gleisform, um dann in seine einzelnen Bestandteile aufgelöst zu werden, oder auch geschlossen auf untergeordneten Bahnstrecken sein Dasein weiter zu fristen. Mit diesem Wechsel hört die weitere statistische Beobachtung in der Regel auf.

Einzelbeobachtunagen.

Bei weitem wertvoller ist die Beobachtung der Einzelerscheinungen, die darauf ausgeht, die Veränderungen in der Gleislage und in den Gleisverbindungen, die Formveränderungen der einzelnen Gleisteile nebst der Unterbettung, auch die vorübergehenden Bewegungen im Gleise unter der fahrenden Last von Anfang an dauernd zu verfolgen und durch wiederholte Messungen festzulegen. Wird diese Art der Beobachtung mit richtigem Verständnis so lange fortgesetzt, bis das Gleis sich seinem Verfall nähert, so entwickelt sie ein außerordentlich anschauliches Bild von den Lebensbedingungen des Gleises, von dem allmählichen Zurückweichen des Gleisgefüges vor der Übermacht der eingreifenden Kräfte, von seinen Schwächen, die zu örtlichen vorzeitigen Zerstörungen oder zum frühen Verfall des ganzen Gleises führen, und von seinen glücklichen, erhaltenden und weiter zu pflegenden Eigenschaften, schließlich von dem Aufwand an Arbeit und Kosten, dessen das Gleis zu seiner dauernden Instandhaltung bedarf.

Gesetzmäßigkeit der Erscheinungen.

Um Klarheit in diese Art von Beobachtungen zu bringen, muß erstrebt werden, die Gesetzmäßigkeit in den Erscheinungen zu erkennen, also die sichtbaren Wirkungen mit ihren Ursachen in bestimmte Beziehungen zu bringen. Die Ursachen aber sind außerordentlich mannigfaltiger Art. Sie entspringen aus der verschiedenartigen Angriffsweise der Räder in geraden Gleisstrecken und Krümmungen, aus dem Maße der Genauigkeit in der Gleislage nach Richtung und Höhe, aus der gegenseitigen Höhenlage der beiden Schienenstränge, der Lagerung des Gleises in der Bettung, aus der Schwere und der Bau- und Antriebsart der Fahrzeuge und aus den Fahrgeschwindigkeiten. Alle diese Ursachen zeitigen wiederum verschiedenartige Wirkungen je nach der Bauart des Gleises. Die große Mannigfaltigkeit der Ursachen, die bei jeder einzelnen Erscheinung mitwirken, erklärt hinreichend, daß keine Einzelerscheinung im Gleise der andern vollständig gleicht. Es wäre daher unzulänglich, sich mit einzelnen Beobachtungen begnügen und aus ihnen allgemeine Schlußfolgerungen ziehen zu wollen. Erst eine große Reihe gleichartiger Beobachtungen gestattet einen Einblick in die Eigentümlichkeiten gleichartiger Erscheinungen und läßt die gesetzmäßigen Formrichtungen erkennen, in denen die Veränderungen sich bewegen.

Umfang der Beobachtungen.

Weiter aber genügt es nicht, gleichartige Vorgänge nur für sich zu beobachten. Um z. B. Aufschluß über die Eigentümlichkeiten der Formveränderungen der Schienenköpfe an den Stößen zu erhalten, genügt es nicht, an einer Reihe von Stößen nur diese Formveränderungen selbst festzustellen und daraus vielleicht eine mittlere Abnutzung abzuleiten. Zum Verständnis jeder einzelnen Form sind vielmehr gleichzeitig alle andern Zustände und Vorgänge in die Beobachtung hineinzuziehen, welche auf die Entstehung gerade dieser Form hingewirkt haben, also die Größe der Stoßlücke, der Höhenunterschied zwischen den benachbarten Schienenenden , der mehr oder weniger feste Anschluß der Laschen an den Schienen und der Schienen an den Schwellen und die Lagerung der Schwellen auf der Bettung. Alle diese Zustände geben den Abnutzungen am Stoße erst ihre Eigentümlichkeit, dürfen daher bei der Beobachtung nicht vernachlässigt werden. Ähnlich verhält es sich mit allen andern Vorgängen im Gleise. Die Beobachtungen sollen sich daher bemühen, alle Einzelerscheinungen in Beziehung zu den sonstigen Erscheinungen im Gleise zu bringen. Einzelne aus der Gesamtheit herausgerissene Beobachtungen geben leicht Trugbilder und führen dann zu einseitiger Wertung gerade dieser Einzelbeobach-tungen unter Vernachlässigung anderer, vielleicht viel einflußreicherer Erscheinungen.

Versuche außerhalb des Gleises.

Ein wirksames Hilfsmittel, in die Art und die Bedeutung der einzelnen Vorgänge einen unmittelbaren Einblick zu gewinnen, bieten die Versuche außerhalb des Gleises an Modellen unter möglichst getreuer Nachahmung der Belastungszustiinde im Gleise selbst. So bestechend indessen solche Versuche erscheinen und so beliebt sie von jeher waren, so dürfen sie doch keinen weitergehenden Wert als den eines Aufklärungsmittels beanspruchen, berechtigen aber keineswegs zu zahlen-mäßigen Schlußfolgerungen auf die wirklichen Zustände im Gleise.

Frühere Beobachtungen.

Der außerordentliche Wert der geordneten, auf wissenschaftlichen Grundlagen aufgebauten Gleisbeobachtungen ist lange erkannt worden. Einzelne, die sich dazu beraien fühlten, traten freiwillig mit mehr oder weniger Hilfsmitteln ausgestattet, an diese schwierige Aufgabe heran, auch wurde wohl für einzelne Untersuchungen größeres Rüstzeug in Tätigkeit gesetzt. Aber es liegt auf der Hand, daß Kraft und Zeit einzelner neben sonstigen Berufsarbeiten nicht ausreichen konnte, den Beobachtungen die Vielseitigkeit und vor allen Dingen die nötige Dauer zu geben, die doch die Hauptbedingungen für einen umfassenden Erfolg sind. Sie mußten sich eben auf die Beobachtungen gewisser Einzelerscheinungen beschränken, die zwar von Wert sind, wenn sie in erweiterte, das ganze Gebiet umfassende Beobachtungen eingefügt werden können, die aber oft mit Vorsicht zu nehmen sind, wenn sie für sich bleiben. Mehrfach besteht ein ausgesprochenes Mißtrauen gegen solche Beobachtungen, einerseits weil man sie für unzulänglich hält, sodann aber, weil es einem weniger gewissenhaften Beobachter, der mit vorgefaßten Meinungen an die Sache herantritt, nicht allzu schwer fällt, vorzugsweise solche Erscheinungen auszuwählen, welche dazu angetan sind, diese seine Meinung zu bestätigen. Aber was auch durch ehrliche und selbstlose Bemühungen einzelner erreicht wurde, es bleibt Stückwerk, nur selten geeignet, von anderen übernommen und stetig weitergeführt zu werden. Um daher zu wirklich einwandfreien Ergebnissen zu kommen, bedarf es Einrichtungen, die nicht mit einer einzigen Person stehen und fallen, sondern in sich die Stetigkeit tragen, um die Personen zu überdauern. Das kann aber nur erreicht werden durch eine eigens für diesen Zweck eingerichtete Versuchsstrecke , ausgerüstet mit den verschiedenen in Vergleich zu stellenden Arten des Oberbaues und der Bettung, ausgerüstet ferner mit den nötigen Hifsmitteln und Hilfskräften zur sachgemäßen Durchführung der Beobachtungen.

2. Das Versuchsgleis und die Gleisbeobachtungen.

Nachdem die preußische Staatsbahnverwaltung erkannt hatte , daß die hohe wirtschaftliche Bedeutung der Oberbaufrage ein tieferes Eindringen, eine klarere Erkenntnis aller an den Gleisbau zu stellenden Bedingungen fordere, entschloß sie sich im Jahre 1905 zur Erreichung dieses Zieles eine besondere Beobachtungs- und Versuchsstrecke einzurichten.

Verkehrsgleise als Versuchsgleise.

Der einfachste Weg zum Ziele wäre wohl gewesen, eine geeignete Betriebsstrecke, die mit starkem Verkehr einen möglichst reichen Wechsel in den Krümmungs- und Neigungsverhältnissen, auch in den Fahrgeschwindigkeiten vereinigt, als Versuchsstrecke auszuwählen. Dadurch wäre jeder Aufwand an Betriebskosten erspart, ferner aber die Verkehrsbelastung der großen Eisenbahnbetriebe in unverfälschter vorm mit allen ihren Eigentümlichkeiten und Mannigfaltigkeiten eingeführt und den Beobachtungen dienstbar gemacht. Aber selbst auf den verkehrsreichsten freien Strecken würde ein langer Zeitraum nötig sein, um irgend eine Oberbauart voll auszuproben. Etwa die Beobachtungen frühzeitig abzubrechen, wäre verfehlt, weil erfahrungsgemäß oft erst nach geraumer Zeit gewisse Erscheinungen auftreten, die für die Bewertung der Bauart ausschlaggebend sind. Je dichter ferner der Verkehr auf einer Betriebsstrecke ist, desto größere Hindernisse entstehen den Arbeiten im Gleise. Alle Beobachtungen und Messungen, Instandsetzungen und Erneuerungen sind auf knappe Verkehrsspausen angewiesen und lassen sich nicht immer mit der Sorgfalt und Zuverlässigkeit vollführen, die für diesen Zweck durchaus geboten sind.

Abgesondertes Versuchsgleis.

Wird aber das Versuchsgleis dem öffentlichen Verkehr entzogen und nur zum Zweck der Beobachtungen betrieben, so ist der Beobachter auch Herr über den Betrieb. Er kann ihn dem Bedürfnis der Beobachtungen anpassen, ihn nach Belieben stark verdichten, oder auch ganz unterbrechen, solange es die Arbeiten im Gleise erfordern, ferner die Belastungen und Fahrgeschwindigkeiten nach freier Wahl bemessen. Diese unverkennbaren überwiegenden Vorzüge führten zur Entscheidung für eine abgesonderte Versuchsbahn, trotz der erheblichen dauernden Kosten, die durch den gesonderten Betrieb zu erwarten waren.

Auswahl des Geländes.

Die nächste Sorge war die Auswahl eines geeigneten Geländes für die Versuchsbahn und die Gestaltung des Gleises selbst. Durch das Entgegenkommen der Königlichen Forstverwaltung wurde in einem Walde bei Oranienburg ein Landstück zur Verfügung gestellt, das allen Bedingungen entspricht, auch eine spätere Änderung und Erweiterung der Anlagen in weiten Grenzen zuläßt. Die Nähe der Eisenbahnstrecke und der städtischen Elektrizitätswerke ermöglichte eine günstige Gleisverbindung und bequeme Gewinnung elektrischer Betriebskraft. Der Boden besteht durchweg aus gleichartigem, tief anstehendem Sande und ist so eben, daß nur geringe Ausgleichungen, nirgends aber nennenswerte Anschüttungen erforderlich wurden. Der Untergrund für den Gleiskörper besitzt aus diesem Grunde eine gleichmäßige Widerstandsfähigkeit, kann also keine verschiedenartigen, die Beobachtungen erschwerenden Einwirkungen auf die Gleislage ausüben.

Grundform des Gleises.

Für die Form und die Ausdehnung des Versuchsgleises waren folgende Erwägungen maßgebend. Je kürzer das Gleis ist, desto häufiger kann es in einem gewissen Zeitabschnitt durchfahren werden, desto größer ist also die Summe der übergeführten Lasten und in gleichem Verhältnis kürzer die Zeit, in der sich die Formveränderungen im Gleise und deren Beobachtungen abspielen, um so beschränkter aber andererseits das Beobachtungsgebiet und die Auswahl der gleichzeitig zu untersuchenden Oberbauarten. Das Gleis mußte ferner eine geschlossene Form haben, um einen ununterbrochenen Betrieb mit stetiger Geschwindigkeit zu ermöglichen. Auch war es erwünscht, gerade Strecken und Krümmungen zu vereinigen, weil die Erscheinungen in beiden Gleisformen grundverschieden sind. Unter Berücksichtigung dieser Anforderungen wurde die in Abb. 1 dargestellte längliche Form gewählt, die sich zusammensetzt aus zwei Bogen von 200 m Halbmesser mit Abflachungen. an ihren Ausläufen und aus zwei geraden Strecken von je etwa 200 m Länge. Die ganze Gleislänge beträgt 1757 m. Bei Voraussetzung einer Fahrgeschwindigkeit von 50 km in der Stunde war also mit nur einem Zuge eine Zugfolie von 2 Minuten zu erzielen und bei weiterer Annahme des Zuggewichts zu 225 t und einer täglichen Betriebsdauer von 20 Stunden eine tägliche Belastung jeder Gleisstelle mit 135 000 t und bei 300 Arbeitstagen eine Jahreslast von etwa 40 Millionen Tonnen zu erwarten gegenüber einer Jahresbelastung der Berliner Stadtbahngleise von etwa 25 Millionen Tonnen und eines freien Streckengleises der meistbelasteten Bahnlinien von etwa 12 Millionen Tonnen.

Oberbauarten.

Bei der Auswahl der zu prüfenden Oberbauarten kamen zunächst verschiedene der neuesten schweren Formen in Frage, die für Hauptverkehrsgleise vorgesehen, zuvor dieser Probe zu unterwerfen waren. In ihrem Bau unterscheiden sie sich einmal nach der Unterschwellung aus Holz, und zwar Kiefern-, Eichen-und Buchenholz, oder aus Eisen mit verschiedenen Formgebungen, sodann nach der Art der Schienenverbindungen untereinander, der Stoßanordnungen, des stumpfen Stoßes mit senkrecht geschnittenen Schienenenden oder des Blattstoßes mit seitlich übereinandergreifenden Schienenenden (Abb. 2), schließlich nach verschiedenartiger Ausbildung der Verbindungs-und Befestigungsteile.



GIeisbettung.

Ganz besondere Berücksichtigung sollten aber die verschiedenen Arten und Formen der Gleisunterbettung finden, weil diese ja doch für die dauerhafte Lage und die Schonung des ganzen Gleises Von der allergrößten Bedeutung ist. Man wollte sich nicht mit den Hauptarten des Bettungsstoffes, Kies und Steinschlag, begnügen, sondern im Schotter auch Unterschiede nach der Gesteinsart, Granit, Quarzit, Basalt und Grauwacke einführen, um den Einfluß der Zähigkeit, Härte und Form des Kornes auf die Widerstandsfähigkeit der Bettung und auf ihre Dauerhaftigkeit unter der Last des Gleises und den Angriffen der Stopfhacke beobachten zu können.

Einteilung des Gleises.

Um den Wert irgendeiner Einzelheit der Bauart an sich und in Beziehung auf das ganze Gleis beurteilen zu können, sollte im allgemeinen von dem Grundsatz ausgegangen werden, in einer sonst ganz gleich gebauten und gelagerten Gleisstrecke nur diese Einzelheit verschiedenartig zu gestalten, also beispielsweise ein ganz gleichgeformtes Gleisstück zum Teil auf Kies, zum Teil auf Schotter zu lagern, um einen Vergleich lediglich zwischen den beiden Bettungsärten zu gewinnen, oder zu ähnlichem Zwecke, in einem gleichgeformten und gelagerten Gleisstück nur die Art der Stoßverbindungen oder nur die Form der Schwellen zu wechseln. Aus allen diesen Beziehungen ergab sich eine so mannigfaltige und weitgegliederte Gruppierung von Arten und Unterarten, daß sie unmöglich gleichzeitig in dem kurzen Versuchsgleise von 1757 m unterzubringen waren, zumal die einzelnen Gruppen doch immer eine angemessene Längenentwicklung beanspruchen, um richtige Durchschnittswerte bei den Beobachtungen liefern zu können. Für jede Beobachtungsperiode war daher eine engere Auswahl von Arten geboten, eine weitere Auswahl mußte der späteren Beobachtung vorbehalten bleiben. Einige nähere Angaben über die jetzige Belegung des Versuchsgleises sind in der Abb. 1 enthalten. Das Gleis ist zunächst in 4 gleiche Abschnitte zur Aufnahme von 4 Hauptgleisgruppen geteilt. Durch die übereinstimmende Grundform und demzufolge auch übereinstimmende Belastungszustände dieser Abschnitte wird der unmittelbare Vergleich dieser Hauptgruppen untereinander erleichtert. Die Untergruppen unterscheiden sich durch Wechsel in der Schwellenart und in der Unterbettung.

Art der Beobachtungen.

Die schwierigste und für den ganzen Erfolg wichtigste Aufgabe war nun die Beobachtung selbst. Sie soll eine lückenlose Unterlage für die spätere Beurteilung einer Art bilden, soll also von vornherein alles umfassen, was dem Vergleiche der Arten untereinander förderlich ist. Alle Wechsel im Zustande des Gleises erscheinen zunächst als Formveränderungen irgendwelcher Art. Als solche müssen sie also ergriffen und festgelegt werden. Es ist aber kaum möglich, von vornherein Umfang und Richtung bestimmt abzu-grenzen, in denen das zu geschehen hat, daher ratsam, den Umfang möglichst weit zu ziehen, selbst auf die Gefahr hin, nicht alles verwerten zu können. Erst der Lauf der Beobachtungen selbst und ihre spätere Bearbeitung gibt oft die richtige Anleitung für die Bedürfnisse und für die besonderen Forderungen, die an den Gang der Beobachtungen gestellt werden müssen. Die wichtigsten bisher vorgenommenen Beobachtungen mögen hier kurze Erwähnung finden. Die hauptsächlichsten Hilfsmittel bei den Beobachtungen sind wiederholte Messungen, bildliche, namentlich photographische Aufnahmen und Abdrücke.

Veränderungen der Gleislage.

Obenan stehen die Beobachtungen, die sich auf die Veränderungen der Lage des ganzen Gestänges in senkrechter und seitlicher Richtung beziehen. Sie werden durch einfache Messungen mit Hilfe eines Richtscheites ausgeführt, das auf zwei gegenüberstehende, fest in den Boden eingetriebene Pfähle quer über das Gleis gelegt ist. Die Höhenlage der Schienen unter dem Richtscheit wird durch zwischengeschobene Meßkeile, die Seiten-und Längsverschiebung der Schienen unmittelbar mit dem Meßstab ermittelt, ebenso die gegenseitige Entfernung der Schienen, die Spurweite. Liegen die Meßstellen genügend dicht aneinander, etwa in Abständen einer halben Schienenlänge, so wird ein zutreffendes, zusammenhängendes Bild von der veränderten Gleislage über die ganze Gleisstrecke gewonnen. Die Messungen werden im neugelegten oder frisch unterstopftem Gleise in kürzeren, im festgefahrenen Gleise in längeren, jedoch höchstens dreimonatlichen Zeiträumen wiederholt.



Die Ergebnisse der Messungen werden zeichnerisch übersichtlich dargestellt, etwa nach Art der Abb. 3 in natürlichem Höhen-, aber stark verkürztem Längenmaßstabe. Diese Messungen geben unmittelbaren Aufschluß über die Widerstandsfähigkeit der verschiedenen Bettungsarten, über und den Einfluß der Stärke und Breite des Bettungskörpers der Korngröße, über die Tragfähigkeit der Bettung unter verschiedenen Schwellenarten, namentlich den vollen und den nach unten hohlen eisernen Schwellen, und über die Vermehrung der Tragfähigkeit durch dichtere Schwellenlage, schließlich über das Verhalten der Stoßstellen gegenüber den mittleren Schienenstellen bei den Senkungen und den seitlichen Verschiebungen des Gleises.

Rettungsstoff.

Die Güte des Bettungsstoffes leidet in hohem Maße durch die zerstörenden Schläge der Stopfhacke, die das ursprünglich grobe Korn zerkleinern, zum Schaden für die Tragfähigkeit des ganzen Bettüngskörpers. Um zu erkennen, wie sich die verschiedenen Bettungsstoffe solchen Angriffen gegenüber verhalten, werden bestimmte Teile der Bettung von Zeit zu Zeit durch Siebe auf ihre Korngröße und auf Zunahme der feineren Bestandteile untersucht.

Gleiswanderungen.

Für die Gleisunterhaltung sind die häufig auftretenden Wanderbewegungen , d. h. Längsverschiebungen des ganzen Gleises oder nur der Schienen über die Schwellen außerordentlich störend. Sie beruhen auf eigentümlichen Wechselwirkungen zwischen Rad und Schiene und gehen mit großer Kraftentwicklung vor sich. Die Beobachtung hat sich damit zu befassen, unter welchen Voraussetzungen solche Wanderungen entstehen, welchen Widerstand ihnen die Bettung entgegenzustellen vermag und mit welchen einfachsten und wirksamsten Mitteln Längsverschiebungen auf den Schwellen verhütet werden können.

Verschleiß der Schienen.

Von hervorragend wirtschaftlicher Bedeutung ist der Verschleiß der Schienen an den Fahrflächen. Er tritt nicht nur als einfache Abnutzung des Schienenstoffes, sondern auch in der oft schädlicheren, sehr wechselreichen Form von Verdrückungen und Stoffverschiebungen in die Erscheinung. In ungünstigster Lage befinden sich die Schienen in starken Krümmungen und alle Schienenstöße. An den Stößen verstärken sich die Abnutzungen und Verdrückungen der Schienenenden oft in einer Weise, daß allein wegen dieser örtlichen Zerstörungen der ganze Schienenstrang unbrauchbar wird, bevor noch die Schienen in ihrem übrigen Verlauf nennenswerte Angriffe aufweisen. Die Schienenstöße waren von jeher das Schmerzens-kind des Gleises. Bei ihnen hat daher die Beobachtung mit ganz besonderer Sorgfalt einzusetzen.



Die Abbildungen 4 geben einige immer wiederkehrende Formen der Schienenabnutzung. Der Grad der Abnutzung ist außerordentlich wechselreich. Er ist zwar in erster Linie von den Härteeigenschaften der Schienen abhängig, weiterhin aber auch von der Lage und dem Zustand des Gleises im ganzen, von der Angriffsweise der Fahrzeuge, an den Stößen im besonderen von der Wirkungsweise und dem Zustand der Schienenverlaschungen, der Befestigung und der Bettung, der Größe der Schienenlücken und den Höhenunterschieden zwischen den benachbarten Schienenenden, schließlich von dem Fortschreiten der Abnutzungen selbst. Alle diese Zustände werden daher gleichzeitig beobachtet und mit den Schienenabnutzungen in Beziehung gebracht.

Messen der Fonnveränderungen.

Die Formveränderungen der Schienenköpfe werden festgestellt durch besondere für diesen Zweck gebaute, feine Meßgeräte (Abb. 5) oder durch Gipsabdrücke.



Die den Stößen eigentümlichen Eindrückungen der Lauffläche, als Folge der vermehrten Verdrückungen an den Schienenköpfen oder auch der Verbiegungen der Schienenenden im ganzen, werden in einfachster Weise mit Hilfe eines übergelegten eisernen Lineals und eines Meßkeiles ermittelt (Abb. 6). Einige typische Formen sind in den Abbildungen 7 und 8 der Wirklichkeit entsprechend, jedoch in verzerrtem Maßstabe dargestellt. Außer den Schienen werden auch die Schwellen, Laschen und die übrigen Gleisstücke auf Abnutzungen und Formveränderungen untersucht.



Die Bewegungen im Gleise.

Um zu einem erschöpfenden Verständnis der Formveränderungen und zu richtiger Erklärung aller ihrer Eigentümlichkeiten zu gelangen, genügt es nicht, nur die gewordenen Formen festzustellen. Auch die Ursachen der Umformungen sind nach Möglichkeit unmittelbar der Beobachtung zu unterwerfen. Alle dauernden Formveränderungen sind, abgesehen von den Einflüssen der Wärmedehnungen, der Frostwirkung, der Verwitterung, der Rostbildung, das Ergebnis zahlloser mechanischer Angriffe. Diese äußern sich zunächst in Bewegungserscheinungen, doch nicht allein in den Bewegungen der überrollenden Fahrzeuge, sondern in weiterer Folge auch in den Bewegungen innerhalb des Gleises und zwischen dessen einzelnen Gliedern. Solange das Gleis neu, festgefügt und festgelagert ist, haben die inneren Bewegungen nur wenig Spielraum und halten sich im wesentlichen in den elastischen, daher unschädlichen Grenzen. Wo aber das Gefüge oder die satte Lagerung nur ein Geringes nachläßt, beginnen die Bewegungen ihr ungebundenes Spiel, schaffen sich immer weiteren Wirkungsraum und entwickeln vermehrte oder neue mechanische Angriffe, die wiederum ganz neuartige Erscheinungen in den Formveränderungen nach sich ziehen. Die Art dieser Bewegungen in allen Zuständen des Gleises kennen zu lernen, bietet oft erst den Schlüssel zum Verständnis der äußeren Erscheinungen. Es besteht daher das Bestreben, auch die Bewegungen im Gleise den Beobachtungen zugänglich zu machen. Zurzeit erstrecken sie sich auf die gegenseitigen Bewegungen der aneinander grenzenden Schienenenden, werden aber auszudehnen sein auf die Bewegungen des ganzen Gestänges auf seinem Lager sind die Bewegung der Schienen und Schwellen für sich, auch auf die ganzen verwickelten Bewegungserscheinungen beim Überfahren der Schienenstöße.

Sonstige Versuche.

Neben den Beobachtungen am Oberbau selbst bietet die Versuchsbahn auch Gelegenheit zur Erprobung anderer, zum Bau und Betriebe von Eisenbahnen nötiger Gegenstände und Einrichtungen. Dahin gehört die Prüfung aller Arten von Oberbaugeräten auf ihre Handlichkeit und Zweckmäßigkeit, von selbsttätigen Vorrichtungen zum ölen der Radkränze zur Verminderung der Reibungswiderstände in den Gleiskrümmungen, ferner die Prüfung von Betriebsmitteln auf Fahrwiderstände und auf ihre Leistungsfähigkeit im Dauerbetriebe, Abnutzungen an den Radreifen und anderen Einzelheiten, Versuche mit verschiedenen Anordnungen der elektrischen Oberleitung, schließlich Ermittlung der Kosten im einzelnen für die Erhaltung des Gleises und für den Betrieb. Für die weitere Ausgestaltung und Ausdehnung der Versuche wird die Erfahrung der beste Lehrmeister sein. Sie wird neue Gesichtspunkte eröffnen, neue Anforderungen stellen, denen die Einrichtungen zu folgen haben.

3. Der Betrieb.

Für den Betrieb auf der Versuchsbahn konnte von Anfang an nur die elektrische Kraft in Frage kommen.

Dampflokomotive.

Die Dampflokomotiven sind für so große Dauerleistungen, wie sie hier verlangt werden, nicht geeignet. Sie erfordern längere Betriebspausen zur Reinigung und Wartung, beanspruchen ferner dauernde Besetzung und Bedienung während der Fahrt. Elektrische Züge aber sind frei von diesen Einschränkungen und können ohne Besetzung von einem beliebigen Punkte aus gesteuert werden.

Elektrischer Betrieb.

Die elektrische Triebkraft wird von den 2,5 km entfernten Elektrizitätswerken der Stadt Oranienburg entnommen, und zwar als einphasiger Wechselstrom mit 6000 Volt Spannung, der in dem Triebwagen zu einem Arbeitsstrom von 400 bis 500 Volt umgeformt wird.

Schaltvorrichtung.

Der Starkstrom wird zunächst in ein Schalthäuschen geleitet, das alle Einrichtungen zur Handhabung des Betriebes enhält. Mit Hilfe von zwei Öl- und einem Flüssigkeitsschalter kann der Strom in gewollter Menge der Arbeitsleitung zugeführt und die Triebkraft nach Bedarf gesteigert, abgeschwächt oder ganz ausgeschaltet werden. Ein einziger Mann genügt, um von hier aus den Lauf des Zuges nach Belieben zu regeln. Meßvorrichtungen verzeichnen selbsttätig die abgegebenen Strommengen und die Stromspannungen, ferner auch die Anzahl der täglichen Rundfahrten, aus denen mit dem bekannten Gewicht des Zuges die tägliche Belastung des Gleises zu ermitteln ist.

Triebwagen.

Für den Betrieb standen zunächst nur zwei Triebwagen zur Verfügung, die, als erste mit dem Eichbergschen Motor für einphasigen Wechselstrom versehen, auf der Strecke Niederschöneweide—Spindlersfeld versuchsweise gelaufen waren. Zur dauernden Würdigung ihrer bahnbrechenden Bedeutung wurde der eine dieser Motoren dem Verkehrs- und Baumuseum zu Berlin und der andere dem Deutschen Museum in München einverleibt. An die Triebwagen wurde die Anforderung gestellt, einen Dauerbetrieb von täglich 20 Stunden mit einem Zuggewicht von mehr als 200 t und einer Fahrgeschwindigkeit von 50 km in der Stunde zu leisten. Selbstverständlich bedurfte es hierzu vieler Versuche. Namentlich machte sich in erster Zeit, als Folge des Dauerbetriebes, eine starke Erwärmung der Antriebvorrichtungen bemerkbar, die es nicht gestattete, die sonstige Leistungsfähigkeit des Wagens voll auszunutzen.

Elektrische Lokomotive.

Nach diesen Vorversuchen, die das Jahr 1907 in. Anspruch nahmen, entstand die in Kap. XI näher beschriebene elektrische Lokomotive (vergl. dort Abb. 12). Seit dem Jahre 1908 ist sie dauernd im Betriebe, wobei sie sich imstande zeigte, eine Zugkraft von 15 t bei einer Fahr-geschwindigkeit von 50 km/Std. zu entwickeln oder, was gleichbedeutend ist, einen Zug von 375 t Gesamtgewicht mit derselben Geschwindigkeit zu befördern. In dieser Schwere wurde nun ein Zug aus der etwa 60 t schweren Lokomotive und einer Reihe von belasteten Güterwagen gebildet und in regelmäßigen Betrieb gesetzt. Hierbei kann die Anzahl der Rundfahrten täglich auf etwa 480, die Belastung jeder Gleisstelle also auf täglich 480.375 = 180 000 t gebracht werden. Das ergibt bei 300 Arbeitstagen eine höchste Jahresleistung von etwa 54 Millionen Tonnen, also das doppelte der Verkehrslast auf einem Berliner Stadtbahngleis und das vier- bis fünffache der Verkehrslast auf den meist-belasteten freien Bahnstrecken.

Regelung der Zugfahrt.

Der Zug bewegt sich stets in gleicher Richtung, wie auf einer zweigleisigen Bahn. Es steht aber nichts im Wege, die Fahrrichtung zu wechseln und dadurch die Betriebsart der eingleisigen Bahnen einzuführen. Die tägliche Betriebspause von 4 Stunden ist auf die Vor-mittagszeit verlegt und wird ausgenutzt zur Instandhaltung der Fahrzeuge und der Gleise und zur Vornahme der Beobachtungen und Messungen.

Aufschreibungen.

Zur Gewinnung bestimmter wirtschaftlicher Werte wird über alle Aufwendungen an Arbeit, Material und Betriebskraft, sowie über die Betriebsleistungen sorgfältig Buch geführt, hinsichtlich des Oberbaues getrennt nach den einzelnen Oberbau- und Bettungsarten, hinsichtlich der Betriebsmittel über Strom- und Materialverbrauch, Kosten der Instandhaltung, Zuggewicht und zurückgelegte Wegestrecken. Die ganze Einrichtung ist dem Kgl. EisenbahnZentralamt in Berlin unterstellt.

Wenn auch die Versuchsbahn in ihrer Anlage und ihrem Betriebe darauf eingerichtet ist, die einzelnen Beobachtungsperioden nach Möglichkeit zu verkürzen, so wäre es doch verfehlt, in gleich kurzer Zeit bereits voll abgeschlossene Ergebnisse zu verlangen. Zur vollen Bewertung einer Bauart gehören Vergleiche mit anderen Bauarten. Alle zum Vergleiche nötigen Beobachtungen gleichzeitig anstellen zu können, dazu reicht weder die Ausdehnung des Versuchsgleises aus, noch liegen stets von vorn-herein fertige Vergleichsgegenstände vor. Sie gestalten sich vielmehr oft erst aus den Versuchen selbst heraus und verlangen neue Beobachtungen, oder Ergänzungen der früheren. Wie bei allen wissenschaftlichen Beobachtungen ist auch hier Geduld und Ausdauer vonnöten. Aber wir besitzen nun ein zuverlässiges Erkenntnismittel, das früher fehlte, an dessen Hand wir uns unabhängig machen können von dem Streite der Meinungen und persönlichen Ansichten. Wir stehen keineswegs vor einer fertigen Einrichtung, sie bedarf vielmehr wie jede andere des steten Auswachsens, um lebensfähig zu bleiben. Dieses eigenartige, einzig dastehende Unternehmen entsprang einem lange Zeit unbefriedigten Bedürfnis, einem langen Suchen nach größerer Klarheit auf dem Gebiete des Gleisbaues, es trägt hierin seine Daseinsberechtigung und seinen dauernden Wert, sowohl für wissenschaftliche als für wirtschaftliche Fragen. Zum Schluß soll der Mann nicht unerwähnt bleiben, der als eifrigster Anreger und fachkundigster Förderer des hier beschriebenen Werkes zu bezeichnen ist, leider aber dessen Vollendung nicht mehr erleben sollte, der Geheime Baurat E. Schubert.
Electric traction for railway trains - Edward P. Burch, Edward Parris 1911

Enzyklopädie des Eisenbahnwesens 1913
Kapitel Ein- und Entgleisungsvorrichtungen.
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Nach dem Einlegen wird er durch die Schraube 5 fest gegen den Schienenkopf gepreßt. Die Schienenklemme ist nur in einer Form vorhanden, die Eingleisungswinkel in zwei Formen für rechts und links; als Innenrampe dient also die gleiche Form wie für die Außenrampe. Die Rampe ist so gestaltet, daß sie für Oberbauformen mit verschiedenen Kopfstärken gebraucht werden kann. Das Gewicht der Schienenklemme beträgt 20 kg, das des Eingleisungswinkels 50 kg. Bei einer Erprobung auf der Versuchsbahn bei Oranienburg dauerte das Eingleisen eines mit einer Achse entgleisten leeren Wagens von 5-8 t Gesamtgewicht mit Winden 13 Minuten, mit dem Eingleisungsschuh 3 Minuten und die Eingleisung eines mit einer .Achse entgleisten beladenen Wagens von 22-7 t Gesamtgewicht mit der Eingleisungsrampe 3 Minuten. Hierin war der Zeitaufwand für die Anbringung und Wiederbeseitigung der Rampen mitenthalten. Das Anbringen der Rampen allein erforderte etwa 1 Minute. Zum Eingleisen mit der Rampe waren 1 Rottenführer und 2 Mann, zum Eingleisen mit Winden 1 Rottenführer und 5 Mann erforderlich.
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Kapitel Versuchsbahnen.
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Von Versuchsbahnen ist die V. der preußischen Staatsbahnen beim Bahnhof Oranienburg zu erwähnen, die von 1906 — 1913 in Betrieb war. Die eingleisige Bahn bestand nach beistehendem Lageplan aus 2 halbkreisförmigen Bogen von 200/72 Halbmesser mit Zwischengeraden.Die Gesamtstreckenlänge betrug 1.757 km. Die gedrängte Anlage hatte den Vorteil, daß jede Stelle möglichst oft mit dem Versuchszug belastet wurde, nämlich bei einer Geschwindigkeit von 50 km Std. stündlich etwa 28 mal. Das Steigungsverhältnis der Rampen war verschiedenartig gewählt, um hierüber Beobachtungen anstellen zu können. Der Betrieb wurde mit einer führerlösen elektrischen Lokomotive von 60 t Dienstgewicht mit angehängtem Güterwagen geführt. Die gesamte Zuglast betrug etwa 250 t und konnte auf 375 t gesteigert werden. Die Maschine fuhr täglich etwa 825 km; jährlich konnten etwa 110.000 Zugkilometer geleistet werden. Das ist bei 250 t Zuggewicht etwa 1-2 der Belastung der Berliner Stadtbahn. Durch Verlegung der verschiedenen Oberbauarten mit verschiedenen Schienenprofilen, verschiedenen Stoßanordnungen, Schwellen und Bettungsstoff waren etwa 24 Versuchsstrecken hergestellt, über deren Verhallen, Verschiebungen nach der Seite und nach unten sowie Unterhaltungskosten besondere Aufschreibungen gemacht wurden. Zur Verhütung einseitiger Abnutzung wurden Maschinen und Wagen etwa alle 2 Wochen gedreht. Die V. bot nicht nur Gelegenheit, am Oberbau Versuche nach einheitlichen Gesichtspunkten anzustellen, sondern auch die elektrischen Einrichtungen, Signale, Werkzeuge und ähnliches zu erproben. Umfangreiche Verbesserungen und Vervollkommnungen an den Eisenbahnanlagen sind das Ergebnis der Versuche auf der V. Wenn sie trotzdem im Jahre 1913 wieder beseitigt worden ist, so ist der Grund hierfür im allgemeinen der, daß die seinerzeit notwendigen Untersuchungen inzwischen durchgeführt waren und daß nicht so dringende weitere Untersuchungen vorlagen, um das Weiterbestehen der kostspieligen Anlage fernerhin zu rechtfertigen.
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Railway Age Gazette 1913

Die Maschinenlehre der elektrischen Zugförderung von W. Kummer 1915

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Welche Lokomotiven fuhren auf der Versuchsbahn?
10201 bzw. 10202 oder EV1 bzw. EV2

10209 bzw. 10210 oder EG 509 bzw. EG 510

EV 3/4

EV 5

2051 / 2052

Preußischer 551/552 Altona bis 669/670 Altona

2200 bzw. 2201 oder 671 bzw. 672
Bild folgt .... (sofern ich eines finde)